Trockenfallen

So, liebe Tidenenthusiasten,

die letzte Aufgabe war schon etwas tricky. Trotzdem haben wir eine neue Mitstreiterin gefunden, die sich in die Berechnungen eingefuchst hat. Herzlich willkommen im Club, Carla. Und gleich einen goldenen Bretagnestern für die imaginären Schulterklappen abgeräumt für die richtige Berechnung. Respekt. Ausserdem gibt’s noch nen bronzenen Stern für die Lösung der ersten Aufgabe.

Respekt auch für Karsten und Flori, die sich sehr in die Berechnungen reingehängt haben und auch auf die richtige Lösung gekommen sind. Toll, wie Vater und Sohn zusammenarbeiten. Das ist genau der Geist den wir gemeinsam als Team im Törn aufbauen wollen. Dafür gibt es 2 Goldene Sterne für Euch zwei (Auf Euren breiten Schultern wäre ja noch viel Platz ;-)).

So jetzt noch was zur Aufgabe. Insbesondere die Bestimmung des Alters der Tide (also ob es Spring-, Nipp- oder Mittzeit ist) hat etwas Schwierigkeiten bereitet. Deshalb möchte ich zunächst darauf nochmal eingehen. Die Bestimmung bezüglich der Mondphasen ist im Prinzip richtig, allerdings gibt es manchmal sogenannte Springverspätungen von einem oder 1,5 Tagen. Das höchste Springhochwasser ist dann 1-2 Tage nach dem Voll- beziehungsweise Neumond. Warum das so ist weiß ich allerdings auch nicht so genau.

Ich schaue mir deshalb immer die coefficients an, denn die geben an welches Tidenalter gerade herrscht. Hier nochmal die genaue Zuordnung der coefficients aus unserem Blog Marine:

  • 120: vive-eau exceptionelle (exzeptionelle Springzeit)
  • 95 : vive eau moyenne (mittlere Springzeit)
  • 70 : maree moyenne (Mittzeit)
  • 45 : morte-eau moyenne (mittlere Nippzeit)
  • 20 : morte-eau exceptionelle (exzeptionelle Nippzeit)

Die Farben in den Tidentabellen sind entsprechend den coefficients angegeben:

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Zuordnung der Farben zu den Tidenkoeffizienten

Wenn ihr Euch die Farben dann nochmal anschaut sieht man, dass am 16.12. 2018 zwischen 31-40 und am 17.12.2018 zwischen 41-50 war. D.h. es war Nippzeit.

Um festzustellen welches Alter die Gezeit hat, schaue ich deshalb zunächst im blog marine, im Navigationsprogramm oder im Internet welcher Koeffizient am besagten Tag herrscht. Damit erspare ich mir feststellen zu müssen welche Mondphase herrscht und ob es ggf eine Springverspätung gibt.

Soweit so gut, bevor wir im nächsten Kapitel mit den Strömungen und der Stromnavigation beginnen, möchte ich heute die „Königsdisziplin“ der Tidenhöhenberechnung mit Euch diskutieren, nämlich das Trockenfallen. „Trockenfallen“ bedeutet im Unterschied zu „Aufsetzten“ oder „Stranden“, dass man das Boot wunschgemäß zu einer im Vorfeld berechneten Zeit auf eine sicher Sandbank langsam aufsetzt. Das macht man am besten 2-4 Stunden nach Hochwasser (das hängt vom Tidenhub und der gewünschten Trockenfallzeit ab). Danach wartet man bis das Wasser so weit abgelaufen ist, dass man trockenen Fusses auf die Sandbank steigen kann. Wichtig ist es nun den Anker von Hand auszubringen und zwar in Richtung tieferes Wasser. Dies verhindert, dass man bei der später folgenden Flut durch die Wellen immer höher auf die Sandbank versetzt wird.

Nach der Niedrigwasserzeit sollte man sich dann nicht mehr weit vom Schiff entfernen, denn dann kommt das Wasser wieder recht schnell. Wenn das Wasser dann wider das Schiff erreicht wartet man ab bis das Schiff wieder schwimmt, holt den Anker wieder rein und fährt in Richtung tiefes Wasser los. Ein paar Dinge sind allerdings zu berücksichtigen. Zuerst einmal muss das Schiff natürlich trockenfalltauglich sein. Also ein Katamaran, ein Kimmkieler, ein Hubkieler oder ein Plattbodenschiff. Kleinere Kielyachten (< 8m) können auch mit Wattstützen trockenfallen. Diese sollen verhindern, dass die Yacht bei Niedrigwasser auf der Seite liegt. Zudem sollte das Unterwasserschiff zum trockenfallen geeignet sein, also z.B. das Ruderblatt aufholbar oder stabil genug, Die Schiffsschraube geschützt und die Logge ausbaubar. Weiterhin ist der Trockenfallplatz sorgfältig auszusuchen. Er sollte einen einigermaßen ebenen Grund haben und aus Sand oder Schlick bestehen. Die Info dazu ist in der Seekarte, und sofort nach dem geplanten aufsitzen wird mit dem Bootshaken der Untergrund und die Tiefe rings um das Schiff untersucht, um evtl den Platz nochmal zu verlassen. Außerdem sollten sich in dem Gebiet auch keine Steine oder Felsen befinden.

Kurz nach dem Aufsitzen lässt man die Schraube einige Sekunden im Vorwärtsgang laufen, um das Ruder frei zu spülen, und einige Sekunden im Rückwärtsgang, um die Auflagefläche des Rumpfes zu ebnen. Wichtig ist natürlich auch eine gute Wetterprognose zu haben, da man während der Trockenfallzeit keinerlei Möglichkeiten hat wieder wegzukommen. Der Trockenfallplatz sollte auch vor Wellen geschützt sein auch sollte man dabei vorbeifahrende größere Schiffe berücksichtigen.

So, nun zur heutigen Aufgabe. Da das Trockenfallen zur Königsdisziplin gehört, ist sie heute etwas kniffliger. Wenn ihr aber den blog aufmerksam verfolgt habt, und die Übungen gemacht habt, kann es machbar sein.

Am 2.Juni 2018 um 10.30 Uhr befindet sich der Katamaran Outremer 55 in der Nähe von Le Palais auf der Belle Ile. Der Smutje hat gute Laune, weil er mit einer tollen Crew unterwegs ist und möchte deshalb heute etwas besonderes bieten: Grillen auf dem Meeresboden. Deshalb bittet er den Skipper den Kat auf der vor ihm liegenden Sandbank aufzusetzen, das dieser auch unverzüglich macht. Der Smut möchte die Crew aber noch mehr verwöhnen und vor dem Grillen noch Austern als Vorspeise sammeln. Der Smut geht zum Navigator und fragt ihn: „Ich brauche zum Aufbauen des Grills, Zum Grillen, zum Essen und später zum Abbauen des Grills ca. 2,5 h. Wie lange habe ich vor dem Grillen noch Zeit um nach Fruits de Mer zu suchen? Ich mag aber keine nassen Füße und will erst von Bord gehen, wenn das Wasser neben dem Schiff komplett weg ist, und ich möchte wieder an Bord gehen, bevor die Flut mir nasse Füße macht.“ Was kann der Navi dem Smut sagen.

Ich hoffe, dass alle Infos, die ihr braucht in den vorherigen Blogs sind (Schiffsdaten, Gezeitenverschiebung zu Port Navalo, 12er Regel).

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Gezeiten Port Navalo

Nun zu, traut Euch, Euer Hägar

0 Gedanken zu „Trockenfallen“

  1. Hallo Hägar,
    spannende Aufgabe.
    Wenn man die Hoch- und Niedrigwasser am Anschlussort berechnet hat, ergibt sich für die restlichen 76 cm Wassertiefe die Wartezeit von einer „guten Stunde“, genauer um 11.35 Uhr sollte das Wasser abgelaufen sein und der Smut sollte trockenen Fußes das Schiff verlassen können um die Austern zu suchen.
    Bis zum Niedrigwasser vergehen 2,5 Stunden und nach der 12er-Regel sinkt der Wasserpegel um 1,13 Meter unter unsere Sandbank. Da die kommende Flut höher ausfällt, steigt das Wasser schneller an. Somit bleiben dem Smut nach dem Niedrigwasser um 14.07 Uhr nur 2 Stunden und 25 Minuten und um 16.32 Uhr sollte er an Bord sein.
    Er hat also 2 Stunden und 25 Minuten Zeit um Austern zu Sammeln. Natürlich sollte der Navi den Smut bitten dies nur als groben Anhaltspunkt zu wählen. Durch Strömung und Wind kann das Wasser unsere Sandbank früher erreichen. Deshalb sollte der Smut lieber zu früh zum Kat zurückkehren (, als zu spät :P).

    Grüße Flo

  2. Anhand der Farbgebung (gelb/orange) in der Gezeitentabelle für Port Navallo kann festgestellt werden, dass am 02. Juni Mittzeit ist.
    Das Hochwasser (Pleiners Mers) ist daher ca. 25 Minuten (=(-20 + -30)/2) vor dem Hochwasser des Bezugshafens (also um 7.22 Uhr in Le Palais).
    Das Niedrigwasser entsprechend ca. 12,5 Minuten früher (-0,30 + -0,05)/ früher, also um ca. 14.08 Uhr
    Das Hochwasser erreicht entsprechend in Le Palais (4,40+((20+15)/2) = 4,57 m.
    Das Niedrigwasser entsprechend 1,45 + 0,10 mtr = 1,55 m

    Die Tidenhöhe am 02. Juni 2018 zwischen Hochwasser um 7.22 Uhr und Niedrigwasser um 14.03 Uhr beträgt 4,57 – 1,55 = 3,02 Meter.
    Nach der 12er – Regel ist 1/12 davon ca. 0,25 cm.

    Um 10.30 Uhr beträgt der Pegelstand in Le Palais (457 cm – (25cm + 50cm+ 75cm + (8/60)x0,75cm)=) 297 cm. (Wasserhöhe in Le Palais zum Zeitpunkt des Trockenfallens)

    Die „Outremer 55“ hat einen Tiefgang von 76 cm bei aufgeholtem Schwert.
    Bis das Wasser um die Outremer 55 abgelaufen ist, dauert es ((52/60×0,75) cm + ((ca.) 0,25 x 50 cm) = 1 Stunde und 7 Minuten.
    Der Wasserstand am Kiel des Kats beträgt entsprechend 2,21 Meter.
    Das Wasser um die Outremer 55 wird also gegen 11.37 Uhr um den Katamaran abgelaufen sein.
    Um 14.08 Uhr ist der niedrigste Wasserstand erreicht.

    Das Hochwasser in Le Palais wird um 20.07 Uhr -0:17 = 19,50 Uhr sein und einen Wasserstand von (4,55 +((20+15)/2 =) 4,72 erreichen.
    Der Tidenhub zwischen Tiefstand um 14.08 Uhr und Höchststand um 19,50 Uhr beträgt 4,72 – 1,55 = 3,17 Meter.
    Nach der 12er – Regel ist 1/12 davon ca. 0,26 cm.
    Bis der Wasserstand wieder die 2,21 Meter (Wasserstand am Kiel des Kats) erreicht hat (Differenz: 2,21 – 1,55 = 0,76 cm) dauert es (155 cm +(1×26 cm + 1×52 cm) =) Ziemlich genau 2 Stunden bis das Wasser wieder den Kiel des Bootes erreicht. Das ist dann um 16.08 Uhr.

    Der Smutje hat daher zwischen 11.37 Uhr und 16,08 Uhr Zeit „trockenen Fußes“ (unter der Annahme, dass es um die Jacht „trocken“ ist sobald das Wasser weg ist) die Jacht zu verlassen.
    Das sind entsprechend 4 Std, 31 Minuten.
    Wenn er davon ca. 2,5 Std. für das Grillen, Auf- und Abbau sowie das Essen rechnet, hat er noch 2 Stunden Zeit um nach den Meeresfrüchten zu suchen

  3. Hi Karsten,
    Hi Zusammen,

    Super nachvollziehbar!

    Ich war nicht ganz so detailliert, kam aber nach kleiner Denkhilfe ebenso auf ein Zeitfenster von ungefähr 4.5h und somit zu sicheren Gewissheit, dass das Zeitfenster zum Austernsammeln groß genug ist um auch die Besatzung der anderen zwei Boote zu Verköstigen in den veranschlagten 2.5h Grillzeit 😉

    1. Tja, so langsam gehen mir die goldenen Sterne aus. Die Berechnung und die Erklärung von Karsten sind super nachvollziehbar, und plausibel. Der FCI überprüft das nochmal, aber da alle zum gleichen Ergebnis gekommen sind stimmt es wohl. Flori war super schnell und Carla hat ja schon im Mütze angefangen zu rechnen. Das gibt 3 goldene Sterne.

  4. Hi Karsten,
    Hi Zusammen,

    Super nachvollziehbar!

    Ich war nicht ganz so detailliert, kam aber nach kleiner Denkhilfe ebenso auf ein Zeitfenster von ungefähr 4.5h und somit zu sicheren Gewissheit, dass das Zeitfenster zum Austernsammeln groß genug ist um auch die Besatzung der anderen zwei Boote zu Verköstigen in den veranschlagten 2.5h Grillzeit. 😉

  5. Mensch, da ist ja richtig drive drin mittlerweile, prima!
    Nur der FCI hat gerade einen Hänger, sieht aber alles schlüssig aus auf den ersten Blick. Komme wohl erst gegen Wochenende dazu, das selbst zu rechnen.

    Wer sich schon mal mit der Funke beschäftigen will, hier der Link zur Anleitung der Funke auf der X46:

    https://www.icom.co.jp/world/support/download/manual/disp_down.php?SWT=&ID=20080328001&GNR=Marine&TYPE=Mobile&PDNM=IC-M421&INQWORDSWT=No&INQWORD=

    Frage dazu: Was ist eine MMSI und wie kann man sicherstellen, dass in dieser Funke die richtige MMSI hinterlegt ist?

    CU,
    euer FCI

  6. Hallo Zusammen,
    ich bin auf fasst gleiche Zeiten wie Karsten für „kein Wasser mehr am Kiel“ gekommen, d.h. 11:38 und 16.10,
    jedoch habe ich einen Tidenhöhe von 2,48 m für diesen Zeitpunkt errechnet. (Kastens Wert 2,21)

    Bei genauer Betrachtung fällt auf, dass die Zeiten für ablaufendes Wasser und auflaufendes Wasser nicht identisch sind.
    Ablaufendes Wasser von 7:22-14:08 = 6:46 min – damit 6 Zeit Intervalle für die 12er Regel von 1 h 7,6 min
    Auflaufendes Wasser von 14:08-19:42 = 5:36 min – damit 6 Zeit Intervalle für die 12er Regel von 56 min

    Im ersten Fall läuft das Wasser etwas langsamer ab, daher ist das Wasser um 11:38 etwas höher. (Meine Rechnung 2,48 m)
    Das schneller auflaufendes Wasser ist auch der Grund warum Flo‘ s 16:32h aus meiner Sicht falsch sind.
    Bin gespannt ob ich richtig liege

    Schönen Abend Bernd

  7. Hallo Bernd,

    Tolle und sicherlich nicht falsche Überlegung die 12er-Regel nicht pro Stunde anzuwenden, sondern auf das gesamte HW/TW-Intervall.
    Die Anwendung der 12er-Regel auf die 6-Stundenintervalle würde in meiner oben stehenden Rechnung bedeuten, dass das Wasser noch mehr als 45 Minuten sinken wird, obwohl nach Berechnung auf Grundlage der 12er-Regel auf Stundenbasis der Tiefststand bereits erreicht ist.
    Das Beispiel zeigt aber auch gut, dass es sich bei den ganzen Berechnungen zwar um genaue Ergebnisse handelt, die aber in der Praxis verändert sein könnten. Beispielsweise, wie es Flo geschrieben hat, durch Wind- und Strömung.

    In meiner Berechnung oben habe ich aber auch einen Fehler festgestellt: Ich habe das Niedrigwasser in Le Palais mit 12,5 Minuten früher berechnet. Aber es sind 17,5 Minuten, weil eben -30 + -5 = -35 Minuten ergeben (und nicht -25 was dann zu den von mir fälschlicherweise errechneten -12,5 Minuten geführt hat). Unter Zugrundelegung dieser 5 Minuten Abweichung lag Flo wohl doch etwas genauer als ich, wenn man die 12-Regel auf 6-Stundenbasis anwendet.

    Es macht echt Spaß sich über solche Fragen Gedanken zu machen und Lösungen zu erarbeiten.
    DANKE Hägar!!

    Karsten

  8. Wenn ich Bernds Hinweis mit einbeziehe komme ich auf 16:05 Uhr. Danke für den Tipp !
    Dadurch dass ich den Weg gewählt hatte den Rückgang des Wasserspiegels nach dem trocken liegen zu berechnen, hatte ich mit rechnen der vollen Stunden in den 2,5 Stunden eine deutlich höhere Differenz, als mit der korrigierten Zeit.

    Gut dass es so viele aufmerksame Leser gibt, mein Smutje hätte sonst nasse Füße bekommen.
    Grüße Flo(ri)

  9. Moinsen,

    hier kann man übrigens nochmal schön vom Bezugsort die Form der Gezeitenkurve anschauen und auch Zeit- und Höhenwerte grafisch entnehmen:

    http://maree.info/104?d=20180602

    Interessant ist auch, dass die Form nicht konstant ist, sondern sich mit verschiedenen Coeffizienten und Jahreszeiten verändert.

    CU
    Euer FCI

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