So, liebe Freunde der Bretagne, unser Flottillentörn steht ja unter dem Motto der Kompetenzerweiterung deshalb nähern wir uns heute mal der Tidennavigation an. Dazu brauchen wir viele Infos, die man aus verschiedenen Quellen ziehen kann. Zunächst mal eine gute Nachricht: alle Infos zur Navigation und zu den Tidenberechnungen in der Bretagne, der Atlantikküste und dem Englischen Kanal findet man in einem einzigen Buch, dem Bloc Marine atlantique. Dieses Buch kommt jedes Jahr aktualisiert für ca. 30€ heraus.

Der aktuelle Bloc Marine befindet sich selbstverständlich auf jedem unserer Schiffe.
Die schlechte Nachricht: Der Bloc Marine ist vornehmlich in Französisch geschrieben und nur wenige wichtige Infos sind in Englisch. Nun denn, dann müssen wir unsere Schulfranzösischkenntnisse herauskramen und unsere Kompetenzen eben erweitern ;-).
Zunächst ein paar grundlegende Informationen zu den Tidenverhältnissen in der Bretagne. Die Franzosen haben ein -meines Erachtens- sehr intelligentes System zur Beschreibung der Tidenverhältnisse entwickelt, den Koeffizienten (le coefficient). Der coefficient beschreibt in einer Zahl zwischen 20 und 120 die Tidenverhältnisse, also ob gerade Spring-, Mitt- oder Nippzeit herrscht und wie stark der Tidenhub dabei ist. Springzeit heißt auf Französisch vives eaux (lebendige Gewässer) oft abgekürzt als VE oder grande coefficient (hoher Koeffizient), Nippzeit heißt mortes eaux (tote Gewässer, abgekürzt ME) oder petit coefficient, kleiner Koeffizient. Normale Springzeiten haben einen Koeffizient von 95 und normale Nippzeiten einen Koeffizient von 45. In der Mittzeit hat man einen Koeffizienten von 70. Es gibt aber auch extremere Spring- und Nippzeiten. Ein Koeffizient von 120 zeigt dabei an, dass zu dieser Zeit der maximal jemals erreichbare Tidenhub herrscht und bei 20 der minimale jemals mögliche.

Als Beispiel ist hier die Situation im Oktober 2018 dargestellt. Man sieht hier jeweils die Hochwasserzeit in Brest und den dazugehörigen coef. Man sieht, dass am 10. Oktober kurz nach Vollmond ein besonders hoher Koeffizient von 108 herrschte. Das bedeutet, dass an diesem Tag das Hochwasser (pleine mer, PM) besonders hoch, und das Niedrigwasser (basse mer, BM) besonders tief war und dadurch auch die dazugehörigen Strömungen besonders stark waren.
Am 17. 10. wiederum, einen Tag nach dem ersten Mondviertel, war der Koeffizient besonders niedrig mit 29. Das bedeutet, dass an diesem Tag extreme Nippzeit herrschte, und der Tidenhub sehr gering war. Das heißt bei Niedrigwasser steht noch ordentlich zusätzliches Wasser zur in der Karte eingezeichneten Wassertiefe. An den Farben kann man auf den ersten Blick erkennen welcher Koeffizient gerade herrscht. Je dunkler das rot, desto größer ist der Koeffizient, und je heller das blau, umso niedriger ist der Koeffizient.
Der Koeffizient wird uns den ganzen Törn begleiten, gibt er uns doch wichtige Informationen über die Wassertiefenschwankungen und die Strömungsstärke. Deshalb jetzt die erste Aufgabe für die zukünftigen Bretagnenavigatoren: bitte findet heraus, welche Koeffizienten wir während unseres Törns haben werden. Wann haben wir vives eaux und wann mortes eaux und wie stark. Die ersten 3, die die richtige Antwort in den Kommentar schreiben, bekommen einen bronzenen, silbernen und goldenen Bretagnestern auf die immaginären Schulterklappen ;-).
Wozu benötigen wir diese Infos? Je nach Koeffizient wird sich der Wasserstand in den Häfen unterschiedlich verändern und dies ist besonders wichtig beim Ein- und Auslaufen. Viele Häfen haben nicht immer genügend Wassertiefe in den Einfahrten, bzw. es befinden sich Barren vor den Häfen. Außerdem ist es wichtig zu wissen ob auch beim nächtlichen basse mer das Schiff nicht aufsitzt und die Schläfer durch die Schräglage aus den Kojen kullern.
Aber das machen wir aber beim nächsten Mal.
Bis dahin, bleibt uns gewogen, Euer Hägar.
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