Stromstärke

Liebe Nautikfreaks,

Silke hat sich jetzt auch wieder zurückgemeldet, und löst eifrig die Aufgaben, herzlich willkommen zurück. Die anderen scheinen durch die Osterfeiertage etwas träge geworden zu sein. Lasst mal die Ostereier liegen und beteiligt Euch mal wieder an den Tidenvorbereitungen ;-).

So, nach dem letzten Kapitel wissen wir jetzt also um die generellen Strömungsrichtungen in der Bretagne. Diese ändern sich je nach Gezeit im Uhrzeigersinn. Allerdings wissen wir noch nicht wie stark es strömt d.h. wie groß die Strömungsgeschwindigkeit ist. Zunächst mal die gute Nachricht: in der südlichen Bretagne, unserem Abfahrtsort strömt es im freien Seeraum selbst bei Springzeit mit weniger als einem Knoten. Das heißt, dass wir im freien Seeraum die Strömungen zwar kennen sollten, sie uns aber nicht sonderlich beeinträchtigen werden.

Aber Achtung: dies gilt nur im freien Seeraum! Um Kaps herum, in Durchfahrten und in der Nähe vom Land sieht das anders aus.

Wie finden wir nun die Stromstärke? Zum einen natürlich wieder im TimeZero Navigationsprogramm. Wie schon öfter erwähnt dürfen wir uns aber nicht ausschließlich darauf verlassen sondern sollten das auch mit den nautischen Unterlagen bestimmen können. Dazu gibt es auf unseren Yachten Stromatlanten und auch im Bloc Marine sind die wichtigsten Auszüge daraus abgebildet.

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Dies ist ein Ausschnitt des Strömungsatlas in der Baie de Quiberon mit unserem Ausgangshafen Le Crouesty (direkt neben Port Navalo). Wir sehen zunächst, dass sich diese Strömungen auf einen gewissen Zeitpunkt der Gezeit beziehen, hier nämlich auf 4 Stunden nach (apres) Hochwasser (Pleine Mer, PM) am Bezugsort Port Navalo. Von diesen Karten gibt es insgesamt 13 (von 6 h vor (avant) Hochwasser dann jede Stunde bis 6h nach Hochwasser). Und diese 13 Karten gibt es jeweils für alle Gebiete.

Die Strömungsrichtung kann man an der Richtung der Pfeile erkennen, die Stromstärke an der Dicke der Pfeile. Daneben kann man die Stromstärke auch an den Zahlen erkennen, die über den Pfeilen stehen. Jetzt die schlechte Nachricht für alle älteren Semester: die Zahlen sind wirklich klein geschrieben, und schon mit normaler Sehkraft ist es schwierig sie zu lesen. Übermüdet, mit Salzwasser in den Augen oder im Schummerlicht der Kabine sind sie nicht zu entziffern. Deshalb mein Rat: nehmt bitte ein Lupe mit, z.B. eine Zeitungsleselupe für ältere Leute. Sieht zwar blöd aus  man ist aber definitiv dankbar die Zahlen lesen zu können ;-).

Die Zahlen geben die Strömungsgeschwindigkeit in Zehntelknoten an. Die ersten beiden bei Springzeit (vive eau, VE, coefficient 95), die letzten beiden bei Nippzeit (mort eau, ME, coefficient 45). 1712 zum Beispiel heißt, dass bei coefficient 95 mit 1,7 kn strömt, und bei coefficient 45 mit 1,2 kn .

Hier noch weitere der 13 Strömungskarten der baie de Quiberon:

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Nach diesen theoretischen Abhandlungen, nun zur heutigen Aufgabe, deren Schwierigkeitsgrad wieder etwas höher ist:

Der Katamaran Outremer 55 ankert am 31. 8. 2019 in der westlichsten Bucht der Insel Houat. Der Smut möchte mit dem Beiboot (l’annexe) an der Nördlichen Spitze vorbei nach Port Navalo fahren, weil er für das Frühstück noch dringend Eier einkaufen muss. Unser Smut ist vorsichtig geworden, seit er sich beim Grillen während des Trockenfallens nasse Füße geholt hat, und er seit dem unter Fußpilz leidet ;-). Er möchte deshalb einen Leichtmatrosen mitnehmen, der ihm im Falle eines Motorausfalls pullend weiterbewegen kann. Um 10.30 Uhr möchte er von der ankernden Yacht losfahren, sieht aber durch das Fernglas, dass es an der Nordwestlichen Spitze von Houat ordentlich strömt, und zwar entgegen seiner beabsichtigten Fahrtrichtung. Trotzdem möchte der Smut der tollen Besatzung Rühreier zum Frühstück machen. Er fragt den Navi: „Wie stark muss denn der Leichtmatrose mindestens pullen können, damit wir bei einem Motorausfall mit dem Beiboot in der Strömung nordwestlich von Houat nicht abtreiben?

Für richtige Antworten gibt’s wieder einen Bretagnestern, für kreative noch einen obendrauf. Die Tideninfos wie immer aus maree.info.

Nur zu traut Euch, ich hoffe auf rege Beteiligung im blog.

Herzlichst Euer Hägar

Flut- und Ebbstrom

Liebe Tidenenthusiasten,

die beiden Antworten zu der letzten Frage waren natürlich richtig. Neben Sara darf sich auch Karsten einen Bretagnestern auf die Schulterklappen heften. Heute fangen wir mal mit den Strömungen an. Die Tidenströmungen entstehen, weil ja das steigende Wasser irgendwo herkommen muss, bzw. das fallende Wasser irgendwohin fließen muss (oder anders herum, je nach dem wie man das mit der Henne und dem Ei so sieht).  Man unterscheidet zwischen generellen Strömungen und lokalen Strömungen, die von den generellen deutlich abweichen können. Zu den generellen Strömungen eine kleine Animation aus dem Timezero Navigator Navigationsprogramm, die zunächst mal den Flutstrom anzeigt. Man erkennt das an den gelben Balken, die steigen.

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Wir können also festhalten, dass das Wasser aus dem dritten Quadranten kommt, also aus Süden über Südwest nach West. Übersetzt in Stromrichtungen (bei der Strömung wird im Gegensatz zum Wind die Richtung angegeben wohin das Wasser fließt und nicht woher es kommt!) heißt das:

Der Flutstrom verursacht in der Südbretagne Nord-, über Nordost- bis zu Ostströme. Das ist wichtig für die zukünftigen Planungen.

Anders sieht es beim Ebbstrom aus. der fließt zuerst nach Süden und geht über Süd West nach Westen über. D.H. die generelle Strömungsrichtung ändert sich im Uhrzeigersinn mit der Tide.

Nun zur heutigen Aufgabe: In welche Richtung versetzt uns der generelle Tidenstrom am Tag unseres Törnstarts (24.8.2019) in der Südbretagne, wenn wir so gegen 14.00 Uhr loskommen? Und wie sieht’s am Törnende, am 6.9. aus, wenn wir unseren letzten Schlag so um 8.00 Uhr starten?

Viel Spass, Euer Hägar

 

 

Ebbe (Ablaufendes Wasser)

Liebe Freunde, die Rodaan ist im Wasser, das Regatta- und Gennakertraining absolviert und ich bin wieder aus Washington zurück. Deshalb habt ihr so lange keinen Beitrag im Blog mehr gefunden.

Die letzte Aufgabe war auch etwas tricky, darum gab es wohl auch einen regen Kommentarverkehr mit Berechnungen und Tips. Das ist prima, denn gemeinsam kann man seine Kompetenzen am besten erweitern. Die richtige Antwort war: der Smut hat ca. 2 h Zeit nach Meeresfrüchten zu suchen, da der Kat ca. 4,5 h hoch und trocken liegt. Es scheint also ein tolles Menü zu werden ;-).

Der FCI hat noch eine graphische Methode gefunden, wie man das ermitteln kann:

Trockenfallen zeichnerisch

= 3,27m
abzüglich Tiefgang:
=2,51m

2. Zeiten für 2,51 Tidenhöhe:

Trockenfallen zeichnerisch 2

Das sind also die offiziellen Daten aus maree.info. Man sieht also, dass die genauere Rechnung mit der 12er Regel ziemlich trifft, wenn die Tidenkurve wie hier nahezu sinusförmig ist.

Den Überblick über die Bretagnesterne habe ich verloren, fühlt Euch alle mit Sternen bedacht.

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Hier noch ein Bild eines trockengefallenen Plattbodenschiffs in der Waddenzee vom letzten Jahr. Man erkennt schön, dass sich das Wasser schon bis zum Heck zurückgezogen hat, der Smut über die Leiter trockenen Fusses aussteigen konnte und er schon den Grill auf der Grolsch-Bierkiste aufgebaut hat. Wahrscheinlich ist er gerade beim Austernsuchen….

Ob wir mit dem Katamaran wirklich trockenfallen werden, wird sich zeigen, das hängt von vielen Dingen ab (z.B. Wetter, Untergrund, wann schwimmt man wieder, Ruderblattaufhängung, Loggeeinbauort…). Die Übung war trotzdem wichtig, zeigt sie doch dass man ziemlich lange festsitzt, wenn man bei ablaufendem Wasser, also bei Ebbe (le jusant, la maree decendante), aufsitzt. Man muss unter Umständen recht lange warten muss bis man wieder schwimmt. In unserem Fall erreicht das Wasser den Kat so um halb fünf, und frühestens um 17.00 Uhr schwimmt er, und man kommt wieder frei. Das heißt man saß 6,5 Stunden fest. Das ist prima bei schönem Wetter, wenn man Grillgut dabei hat, und wenn man sich das geplant hat.

Blöder ist es wenn es unabsichtlich passiert. Man versucht in Tidengewässern nach Möglichkeit mit dem Strom zu fahren, d.h. der Strom schiebt mit. In vielen Kanälen und Durchfahrten kann der Strom durchaus mit 2-4 kn fließen. Um die Geschwindigkeit über Grund zu ermitteln muss man dann noch die Geschwindigkeit durchs Wasser dazuzählen, so dass man durchaus FüG von 8-12 kn erzielen kann. In engen und gewundenen Fahrwassern ist das ganz schön schnell, und die Tonnen fliegen nur so vorbei. Macht der Navi oder der Steuermann nun einen Fehler, und man kommt vom Fahrwasser ab, läuft man auf. Bei dieser Geschwindigkeit über Grund wird das Schiff so weit auf die Sandbank geschoben und/oder der Kiel gräbt sich so tief in den Sand, dass ein loskommen kaum mehr möglich ist. Selbst sofortiges Rückwärtsfahren mit dem Motor reicht oft nicht aus, wenn z.B. der Wind noch in die Segel drückt. Birgt man zuerst die Segel, ist Zeit vergangen, und das Wasser ist weiter gefallen. Man kommt also erst recht nicht los. Jetzt sitzt man fest und man muss den Rest der Ebbe und die gleiche Flutzeit abwarten bis man wieder schwimmt. Das kann sehr lange dauern und evtl. ist es bis dahin Nacht, das Wetter hat sich verschlechtert, oder man hat keinen Proviant mehr. Also, man sollte bei ablaufendem Wasser in Kanälen, Durchfahrten und in der Nähe der Küste sehr sorgfältig und aufmerksam navigieren, am besten zu zweit. Ansonsten kann das sehr lange dauern bis man sein angestrebtes Ziel erreicht.

Bei Flut sieht das ganze deutlich entspannter aus. Wenn man da aufsitzt muss man nur eine gewisse Zeit warten, bis das auflaufende Wasser einem wieder Manövriermöglichkeiten gibt. Diese Taktik wird sogar aktiv angewendet. Wenn man in der Niederländischen Waddenzee z.B. von Ameland nach Lauwersoog will muss man über 3 Wantijs (das sind Wattenhochs, keine fernöstlichen Teigvorspeisen;-)) fahren. Hierzu gibt es nur ein sehr enges Zeitfenster. Um dieses optimal ausnutzen zu können, fährt man den ersten Wantij etwas vor der errechneten möglichen Durchfahrtszeit an, und fährt so lange bis man aufsitzt. Dies sollte man natürlich am Rande der Fahrrinne machen, denn es gibt ja auch Boote mit geringerem Tiefgang, die jetzt schon passieren können. Die Skipper derselben wären sehr sauer wenn man die Fahrrinne komplett blockieren würde. Dann wartet man ab, bis die Flut das Schiff wieder schwimmen lässt, und man „schrubbert“ über den ersten wantij um ein möglichst langes Zeitfenster für die weiteren Wantijs zu haben. Der FCI und die Tati erinnern sich sicherlich an diverse Fahrten mit dieser Taktik, die für einen „Nichtwaddensegler“ etwas befremdlich daherkommt.

Nun zur heutigen Aufgabe, diesmal ohne Rechnen:

Was ist denn der Unterschied zwischen Auflaufen, Trockenfallen und Stranden?

Die originellsten Erklärungen bekommen einen imaginären Bretagnestern auf die Schulterklappen.

Bleibt und gewogen, Euer Hägar