Blockbuster im Hafenkino

Heute Morgen wurden wir unfreiwillig zu den Hauptfiguren im Hafenkino. Gestern Abend legte noch eine Janneau 401 mit einer eher unerfahrenen Crew und einem für diese Gewässer ebenso recht unbedarften Skipper an. Das Anlegen war zwar ohne Schrammen, weil die StSG Crew sie selbstverständlich gehalten hat, aber mit 2 oder 3 Fendern und ohne vorbereitete Leinen war es doch etwas abenteuerlich. Heute morgen wollten wir gegen den mit 5 bft von schräg vorne ablandig wehenden Wind vorwärts rausfahren, und die Franzosen wollten wieder direkt an die holländische Stahlyacht längsseits gehen. Um nicht komplett ablegen zu müssen legte der Französische Skipper eine lange Leine hinter unser Achterschiff zur Holländischen Motoryacht, um sich nach unserer Abfahrt direkt ranziehen zu können. Wir haben ihm eingebläut die Leine ja nicht ins Wasser fallen zu lassen, da ja dort unsere Schrauben für den notwendigen Antrieb sorgten. Zur Sicherheit stand Jette auch noch mit dem Bootshaken bereit. Wir wähnten uns gut für das Manöver gerüstet, haben allerdings die vollkommene Unbedarftheit der restlichen Crew unserer französischen Freunde nicht berücksichtigt. Die kurze Achterleine, die zu unserem Boot lief wäre eigentlich recht einfach und ohne Probleme zu lösen gewesen, hätte man das kurze Ende durchgezogen. Die Helden haben aber das lange Ende einfach ins Wasser geworfen, das sich natürlich prompt in unsere BB Schraube wickelte und den Motor blockierte. Wir hatte gerade unsere Leinen los, hingen noch an der Achterleine in der Schraube und einer weiteren Leine halblebig am Franzosen, und das ganze unstabile Päckchen trieb quer im Hafen, bedenklich nahe an die gegenüberliegenden und hinter uns liegenden Yachten. Nur mit der StB Maschine konnten wir unser Schiff nicht halten und drehten immer näher an die anderen. Durch das laute Rufen ind Französisch Deutsch und Niederländisch geweckt, rannten alle umliegenden Besatzungen auf ihren Decks herum, verzweifelt versuchend das unkontrollierte Päckchen irgendwie abzufendern, falls es zu nahe käme. Jetzt war guter Rat teuer. In den hinteren Windungen meines Gedächnisses fiel mir aber ein Manöver ein, das eine holländische Plattbodenschifferin vor Jahren mal mit uns in Edam durchgeführt hat. Sie drehte ihr Plattboden festvertäut zusammen mit unserem, in dem sie beide Motoren dirigierte. (Der CI und die Älteren unter Euch erinnern sich sicher, wie wir ungläubig und bewundernd der Skipperin als mehr oder weniger Statisten zugesehen haben). Jetzt schnell ein stabiles Päckchen herstellen. Die Franzosen wussten zwar nicht ganz genau was geplant war, aber die zugeworfenen Leinen und die Gestik waren eindeutig. Dem Skipper haben wir dann auch schnell klar gemacht, dass er nach unseren Angaben vorwärts oder rückwärts viel oder wenig Gas geben soll. Ich glaube er war ganz froh (so wie wir vor Jahren bei der Holländischen Plattbodenskipperin), dass das Kommando jemand anders hatte. Wir haben also quasi den ausgefallenen BB Motor mit dem der Jeanneau ersetzt. So gelang es uns unter den Blicken des halben Hafens, nach einigem hin und her die Drehung abzufangen, das Packet zu stabilisieren und in den Wind zu stellen. Vorsichtig konnten wir uns sogar wieder der holländischen Stahlyacht nähern, und nachdem die Vorspring lag (die dieses Mal sofort belegt wurde…..) und wir wieder längsseits lagen, kam auch endlich der über Funk herbeigerufene Hafenmeister an. War halt mit halb Neun noch früh am Morgen und er war noch nicht auf seinem Patrouillenboot unterwegs gewesen.

Jetzt musste zunächst die Leine aus unserer BBSchraube. Olli bot sich gleich als Taucher an, aber die Franzosen wussten schon um den Grund, warum ihre Leine in unserer Schraube war und hatten einen Taucher auserkoren, der auch zugleich in das kühle Hafenwasser stieg. Einige Windungen bekam er von der Schraubenwelle runter, aber den Rest musste er mühsam mit dem Messer abschneiden. Nach ca. 20 Minuten waren wir wieder manövrierfähig. Unser mittlerweile aufgetauter holländischer Nachbarlieger meinte noch „dat was en heelemaal good manoever“, und wir planten das Ablegen neu. Diesmal sind die Franzosen komplett abgelegt und wir konnten dann unbehindert losfahren.

Jetzt sind wir in La Turballe, einem netten kleinen Hafen. Da Sophia unsere professionelle Schiffeverlegerin ja nicht mehr dabei ist, hat diesmal die Hafenmeisterin selbst eine Yacht verlegt, damit wir den einzigen für uns geeigneten Liegeplatz bekommen konnten. Das war echt ein toller Service, und das Städtchen ist die halbe Stunde Wartezeit vor dem Hafen wert. Auch hier wieder: die einzigartige bretonische Hilfsbereitschaft. Statt uns einfach wegzuschicken mit der Begründung der Hafen sei voll, die Extrameile gehen und eine halbe Stunde Arbeit auf sich zu nehmen. Wir sind nach wie vor beeindruckt und auch sehr dankbar.

Der Segeltag war heute dann nach anfänglichem Hack gegenan sehr schön und wir geniesen die Sonne und den Strand.

Bleibt uns gewogen, Eure Bretagniers.

4 Gedanken zu „Blockbuster im Hafenkino“

  1. Mann oh mann, Hägar. Was für ein Husarenstück! Da muss man erstmal drauf kommen…
    Ich bin schwer beeindruckt.
    Die vierte Etappe scheint seemännisch ja doch so Einiges für Euch bereitzuhalten. Hoffen wir, dass es in der letzten Woche etwas weniger dramatisch zugeht.
    Viel Spaß Euch allen,
    Silke

  2. ihr macht Sachen mit, da bin auch ich einfach nur Sprachlos. Dachte schon das leinen loswerfen vom Motorkahn wäre der absolute Knaller, aber es geht nichts an euch vorüber. Ich kann mir das Manöver sehr gut vorstellen – mein größter Respekt an den Skipper und natürlich auch an die Crew!

    Ich schließe mich Silke an und wünsche euch eine entspanntere Woche was die Hafenmanöver angeht!
    Sophia

  3. Respekt. So schnell zu schalten in so einer prekären Situation ist wirklich großes Kino. Ich wünsch euch noch viele schöne und entspannte Tage.

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