Heute hatten wir einen Brückentag. Nicht, dass unsere werte Leserschaft denkt die französische Atlantiksonne hätte die Kalenderwindungen unserer Hirne schmelzen lassen, es war kein Tag zwischen Feiertag und Wochenende. Ganz im Gegenteil, langsam macht sich die Melancholie des nahenden Törnendes schon etwas breit. Die unzähligen Highlights des Törns werden aufgezählt und jeder macht sein persönliches Ranking, die eine oder andere Schote wird erzählt, die Crew überreicht dem Skipper ein tolles Abschiedsgeschenk von der Vendee Globe- Alles eindeutige Indizien, dass es so langsam Richtung Übergabehafen geht.
Aber heute gab es noch etliche Highlights: Angefangen mit einem herrlichen Spischlag entlang der Ile de Ré und der ersten spektakulären Brückendurchfahrt durch die Verbindungsbrücke zum Festland. 30 m Clearance sollten bei einer Bootshöhe mit Mast und Antennen von 22 m eigentlich gut reichen, denkt man. Zumal die Höhe der Durchfahrten auch noch bei HAT (Highest Astronomical Tide) angegeben wird, also Reserve von den Kartenmachern schon eingerechnet ist. Aber wie immer, wenn man sich der Brücke mit 6 bis 7 kn unter Segeln nähert, schmilzt die Höhe der Brücke wie ein Schneemann in der Sonne, und wächst die Länge des Mastes wie die Nase von Pinocchio nach zehn Lügen. Von unten sieht das immer seeehr knapp aus und unsere Rudergängerin versucht exakt die konkave Mitte zu treffen. Aber Ihr ahnt schon, selbstverständlich hat es allen Unkenrufen zuwider gereicht.
Gestern haben wir entschieden einen Flusslauf 15 sm hochzufahren nach Rochefort, einer bezaubernden historischen Stadt, die sogar zum UNESCO Weltkulturerbe zählt. Für die Käseliebhaber, bitte nicht mit Roquefort verwechseln. Die Stadt ist von einem Louis (welche Nummer ist mir entfallen) gebaut worden, um mehrere hundert Schiffe für den Krieg gegen England zu bauen, und ist noch nahezu intakt. Um dahin zukommen mussten wir den immer enger werdenden, mäandernden Flusslauf, vorbei an etlichen mehr oder weniger zerfallenen Fischerhütten auf ellenlangen Stelzen hochmotoren, leider gegen den Ebbstrom. Da wir dadurch recht tief lagen, sahen wir nur die schlammigen, trockengefallenen Ufer, mit stinkendem Schlamm und graubraunen Tümpeln. Und nur weit oben das grüne Schilfgras. Unser Musiker Axel erinnerte das dermaßen an Vietnam, dass uns Allen die Songs aus „Apokalypse Now“ in den Sinn kamen und man hinter jedem Schilffeld einen Vietkong vermuten konnte. War schon etwas gruselig, zumal wir auch das einzige Schiff waren. Als dann am Liegeplatz noch eine Ratte direkt über den Schlamm zu unserem Steg huschte war der Grusel perfekt.
Dazwischen wurden noch 2 Brücken durchfahren, die erste eine unspektakuläre Autobahnbrücke mit 30 m Höhe. Die zweite hatte es aber in sich. Das 40 m hohe, an den Eiffelturm erinnernde Stahlgerüst war schon von weitem erkennbar. Dessen Nutzen erschloss sich uns allerdings nicht. Den hätte wohl nicht einmal unser allwissender CI herausbekommen. Beim Näherkommen hing dann von dem „Gestell“ eine ca. 20m mal 40m messende Plattform an Drahtseilen in 10 Metern Höhe mitten über dem Fluss. Darauf sahen wir Menschen und Fahrräder und sie bewegte sich vom linken Ufer zum rechten. Das war dann die einzige noch in Betrieb befindliche Transporter Bridge Platform. Heute noch Touristenattraktion, hat sie doch früher Pferdeführwerke, Autos und LKWs über den Fluss transportiert. Was ein Aufwand, aber auch was ein Spektakel für uns.
Jetzt, bei Hochwasser liegen wir absolut romantisch im schilfbeuferten Anleger vor Rochefort, mit Kühen am anderen Ufer und einer Vielzahl verschiedener Vögel. Gestört wird die Idylle nur ab und zu durch vorbeifahrende Ozeanriesen, die den Industriehafen etwas weiter Flussaufwärts ansteuern.
Alles ziemlich tolle neue Eindrücke, selbst nach fast zwei Wochen Abwechslung.
Bleibt uns treu, und wir freuen uns auf Eure Kommentare.
Eure sich jetzt an südlichsten Punkt der Reise befindlichen Bretagniers.
In der Tat, ich dachte zuerst an die Hubbrücke von Karnin (das ist in der Nähe von Wolgast… 🙂 ), oder an die Hochbrücke von Rendsburg mit ihrem Fährkorb, aber beide passen nicht so recht. Mit der hängenden Fährplatform ist das schon ein imposantes Meisterwerk der damaligen Ingenieurskunst, sehr beeindruckend!
LG,
euer CI
Schaut an, wieder eine lauschige Ankerbucht 😉
Bildquelle: http://map.openseamap.org/
License: https://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.0/