Etliche Seeleute und auch viele Landratten denken oft, dass Segler gestandene Mannsbilder mit Händen wie Bratpfannen, Kreuzen wie Holzfäller und Oberarmen wie manch andere Oberschenkel haben sein müssen, um den Unbilden der Meer und den Kräften eines Segelschiffes Stand zu halten. Auch bei unserer Belle Ile ist das Großsegel mit 81 qm so groß wie eine durchschnittliche 3 Zimmer Stadtwohnung und das Fall deshalb zweifach übersetzt, um die Kraft zu halbieren. Außerdem braucht man noch eine 52er Winsch um der Kraft Herr zu werden.
Deshalb war es sehr bewundernswert wie nach dem ersten Ablegen Freiwillige für das Großsetzen gesucht wurden und sich alle unsere vier Damen (Silke, Christine, Ute und Julia) an Bord umgehend am Mast eingefunden haben. Mit Technik, Ausdauer, sich absprechen und sich abwechselnd war das Groß ruckzuck gesetzt, eine tolle Frauschaftsleistung. Auch beim Piloting waren Julia und Christine sofort bereit ihre Kompetenzen zu erweitern und für die Ansteuerung in Ouistrehem die Detailinfos zusammenzustellen. Die erste operative Manöverleitung einer Halse, die bei unserer Belle Ile wegen des riesigen Großsegels, der Schwerter und den Backstagen nicht gerade banal ist, wurde auch sofort von Christine übernommen. Hut ab vor dem Mut neben der eigenen Kompetenzerweiterung auch den anderen zum Vorbild zu dienen.
Unsere Damen sind wirkliche Vollblutseglerinnen, die keine Bratpfannenhände und Baumfällerkreuze brauchen, sondern sich mit Mut, Engagement, sich absprechend und sich gegenseitig helfend selbst weiterentwickeln. Toll.
Starkwindsegeln
Heute hatten wir den ersten Starkwindtag, mit an die 30 kn Wind. leider gegenan. Wir mussten das zweite Reff im Groß einbinden und die Fock zu 50% einrollen. Trotzdem liefen wir noch mit bis zu 8 kn. Unser Funkgerät war eien große Hilfe. Auf einem Schlag war die ganze Zeit ein Frachter mit 130m Länge hinter uns. Auf dem AIS erkannten wir seinen Namen Svenja. Nach einer notwendigen Wende wären wir direkt vor seinem Bug gefahren. Wir haben ihn auf Kanal 16 über unsere Intention informiert, der Kapitän bedanket sich und drehte bei. Wir konnten gefahrlos wenden. Laut ColReg haben Segelboote vor Motorbooten Wegerecht, unabhängig wie groß das Motorboot ist. Das ist hier einfach selbstverständlich, dass der Stärkere dem Schwächeren ausweicht.
Das Anlegemanöveer versprach aufregend und herausfordernd zu werden. Wir hatten starken Wind von schräg hinten in eine enge Boxengasse hinein und auch noch ablandig. Für die Nichtsegler unter Euch: blöder geht kaum noch.
Bei der Hafeneinfahrt haben wir deshalb den Hafenmeister über unseren Liegeplatzwunsch informiert und ihn angefragt, ob er uns beim Anlegen auf der Pier assistiert. Das hat er (wahrscheinlich ob der nicht perfekten Französischkenntnisse ) etwas falsch verstanden und uns auf Kanal 9 verwiesen. Da meldete sich auch schon umgehend der Französische Seenotrettungsdienst und wollte uns in den Hafen schleppen, weil er einen technischen Defekt vermutete. Nach einigen Fragen und Antworten war die Sache dann aber geklärt, er wünschte uns eine gute Hafeneinfahrt und ein unfallfreies Anlegemanöver, und informierte den Hafenmeister, dass er doch bitte auf den Steg kommen sollte. Der war dann später auch zur Stelle, und hat unsere, von Ralf und Bernd bravourös geworfenen Leinen entgegengenommen und belegt. Dadurch gelang das Anlegemanöver ohne Schrammen am Schiff oder der Mannschaft.
Diese Beispiele sind gelebte Seemannschaft in einem schwierigen Revier, wo jeder jedem ohne jeglichen Standesdünkel hilft. Manchmal wünsche ich mir ein wenig davon auch am Bodensee.
Bleibt uns gewogen, Euer Skipper Hägar, Co Skipper Ralf und alle Bretagniers
Wünsche der 2. Crew viel Spaß und wunderschöne Segeltage.
Hoffentlich drinkt mein Vater Ralfi nicht das Ganze Bier weg …
So wie ich ihn kenne, wurde aber genug proviantiert 😉
Ganz liebe Grüße an alle
Flori
Hallo Flori, sauber analysiert die Lage, chapeau
Wow, da habt Ihr ja wieder einiges erlebt……..
Ich vermisse im Blog noch das Erklär-Video von Hägi und Ralfi über die „Badewanne“ aus Saint-Vaast-La -Hougue.
Außerdem wünsche ich Euch endlich moderates, adäquates, sommerlich warmes Segelwetter ohne Nass von oben!!
Liebe Grüße von Marion
Dass Julia beim Piloting dabei ist, wundert mich nicht 😉 Mathegenie