Westlichster Punkt

So liebe Leute, heute sind wir an unserem westlichsten Punkt der Reise angekommen. Wir liegen an einer Boje in einer Bucht der Insel Quesant. Das ist auch der westlichste Punkt von Frankreich, wenn man die Überseegebiete nicht mit einbezieht.

Die Bucht ist sehr lauschig, auch wenn einige Spötter mir nicht zutrauen eine lauschige Bucht zu finden (siehe der Törn vor 2 Jahren an ähnlicher Stelle).

Auf der Ile de Quesant gibt es keinen Hafen mit Stegen, sondern nur ein Bojenfeld. Die Bucht ist tief, aber nach Süd-Westen offen, was für einen gewissen Schwell sorgt, und wir wohl heute Nacht in den Schlaf gewiegt werden. Glücklicherweise kommt der Wind aus Nord West, so dass wir wenigstens davor etwas geschützt sind. Die Überfahrt hierher war sehr rau. Da wir durch die Passage du Fromveur mussten, bei der bis zu 7 kn Strom herrscht, war ordentlich was los. Die Passage hat eine NO-SW Ausrichtung und der Wind kam aus westlichen Richtungen. Die Strömung war zwar mit uns, der Wind aber entgegen. Wind gegen Strömung macht eine sehr grobe See. Und das obwohl eigentlich nur 16 kn wahrer Wind war. Gleichzeitig schob uns der Strom durch die Passage, so dass wir 12 kn Fahrt über Grund hatten. Das ist einerseits toll, andererseits gibt das aber noch zusätzlich 12 kn Fahrtwind zum wahren Wind hinzu, so dass wir 25 kn Wind am Schiff hatten. Also 2. Reff einbinden in der aufgewühlten See. Das war ein hartes Stück Arbeit.

Wind gegen Strom sorgt für eine ordentliche Schaukelei, die auf diesem kurzen Film gar nicht richtig rüber kommt.

Man liest es immer wieder, dass Wind gegen Strom eine sehr grobe See macht. Aber das live mitzuerleben war schon sehr beeindruckend. Ein kleineres Schiff mit einer unerfahreneren Crew wäre bei diesem moderaten Wind schon sehr in die Bredouille gekommen.

Darüber hinaus hatten wir heute noch ein tolles Naturerlebnis mit Delfinen. Eine ganze Schule von mindestens 20 Tieren hat unser Schiff über 15 Minuten begleitet und 1 m vor unseren Bügen etliche Kunststücke aufgeführt. Und das ganze bei 9-11 kn Fahrt und dermaßen knapp an unserem Schiff, dass man sich schon fragt wie die Tiere das machen. Echt beeindruckend. Vielleicht kann Silke noch einen Film dazu einstellen.

Trockengefallen sind wir am Sonntag auch schon, und zwar im alten Stadthafen von Roscoff. Beim Beginn ddes Fussballspiels, das wir in der Hafenkneipe besichtigt haben, konnten wir noch eben die Hafenmauer betreten. Nach dem dramatischen Elfmeterschießen lag der Kat 4 m tiefer im Schlick. Kein Tropfen Wasser mehr um uns rum, und eine abenteuerliche Abstieg über einen rostige und glitschige Hafenleiter. Am Morgen schwammen wir glücklicherweise wieder und die Fahrt konnte weitergehen.

Jetzt sind es noch 2 Tage mit der Crew 2 und wir müssen leider unseren Übergabehafen Brest schon planen. Aber die Crew 3 freut sich sicher auch schon.

Bleibt uns gewogen, wir müssen jetzt los zum Essen, mit dem Beiboot an Land. Liebe Grüße Euer Hägar.

Yoga auf dem Trampolin

Auf einer Segelyacht werden tendenziell ja nur wenige Muskelgruppen regelmäßig beansprucht: Vor Allem die Oberkörpermuskulatur beim Segelsetzen oder beim Kurbeln der Winschen. Um die übrigen Muskeln nicht durch fortgesetzten Muskelschwund zu verlieren, hat heute unsere ausgebildete Yogalehrerein Christine eine Übungseinheit auf dem Vorschiffstrampolin gegeben. In Ermangelung von bunten Strumpfhosen, die man gewöhnlicherweise zum Yoga trägt, wurden die langen Unterhosen herausgekramt, die wir glücklicherweise die letzten Tage nicht mehr gebraucht hatten. Dehnübungen wie „Der krumme Hund“ wechselten sich ab mit Gleichgewichtsübungen wie „Der sterbende Schwan“ und mit Kraftübungen wie „Der starke Ochse“ (für die Richtigkeit der Bezeichnungen der Figuren wird an dieser Stelle keine Gewähr gegeben). Wir möchten unsere werte Leserschaft gerne bitten von Kommentaren in der Richtung „Altensport“ oder „Seniorenübungen“ Abstand zu nehmen.

Nautisch war es heute auch wieder sehr interessant. Vorgestern sind wir in einen kleinen Tidenhafen eingelaufen und sind dort einen Tag geblieben. Paimpol ist ein Städtchen, das man nur um das Hochwasser herum anfahren kann. Zu den anderen Zeiten ist der Hafen nicht befahrbar, weil schlichtweg das Wasser fehlt. Bei der Wanderung gestern war es kaum zu glauben, dass wir in dieser Rinne mit unserem Katamaran überhaupt fahren konnten. Interessant war es auch den Meeresboden und die Lage der Tonne zu sehen, wenn das Wasser weg ist.

Vor dem Einlaufen mussten wir noch eine Stunde vor Anker warten, bis ausreichend Wasser aufgelaufen war. Silke nutzte die Zeit, um erste Luftaufnahmen mit der Drohne zu machen. Unsere werten Abonnenten können sich auf tolle Aufnahmen der Belle Ile vor Anker freuen, das gerade online ging.

Die Einfahrt in den engen Hafen war auch nicht ganz simpel: Zum Einen war es eng, es stand wenig Wasser, wir mussten durch zwei enge Schleusen und es wehte ein Querwind; zum Anderen gab es viele Zuschauer aus dem touristischen Örtchen, die das Hafenkino unserer Einfahrt als gelungene Abwechslung zwischen dem Nachmittagskaffee und dem Abendbuffet betrachteten. Dank einer tollen Teamleistung und der Einweisung des Hafenkapitäns gelang das Manöver ganz gut, und am folgenden Tag gab es einige am Kai schlendernde Franzosen, die ungläubig die Breite unseres Bootes mit der Durchfahrtsöffnung der alten Schleuse verglichen und sich gefragt haben wie die Durchfahrt zu Stande kommen konnte. Optisch sah die 12m breite Schleuse schmaler aus als der 8m breite Kat.

Navigatorisch sind wir mittlerweile wieder auf Westkurs, um unserem Zielhafen Brest entgegen zu segeln. Das berüchtigte Tidentor Alderney Race zeigte wieder seine Zähne mit turbulenten Wellen, Wind und schlechter Sicht. Danach verlief der Nachtschlag sehr schön, mit mittleren achterlichen Winden und einem phantastischen Sonnenuntergang auf See.

Die Nachtansteuerung auf St Malo war aufregend, leuchtet doch die ganze Umgebung mit zahllosen Tonnen und Leuchttürmen mit verschiedensten Kennungen wie eine amerikanische Vorstadt in der Vorweihnachtszeit. Hier die richtige Einfahrt durch den vorgelagerten Felsengarten zu finden war schon eine anspruchsvolle Piloting-Aufgabe, die Julia hervorragend gemeistert hat.

Jetzt sind wir in der Anfahrt auf unseren heutigen Zielhafen Roscoff, der wieder eine Überraschung zu versprechen scheint. Das werden wir aber im nächsten Blog beschreiben.

Bleibt uns gewogen

Eure Bretagniers.

Wein ist keine Droge

Am Dienstag hatten wir ja einen Hafentag, bei dem normalerweise nicht so interessante Dinge passieren, um damit einen Blogbeitrag zu verfassen. Aber im Kanal passieren immer unverhoffte Dinge.

Ralf, Günther und ich kommen gerade vom „Schonen der Biervorräte an Bord“ zurück (die geneigten Hollandfahrer wissen, was damit gemeint ist, die anderen können es mit ihrer Phantasie entschlüsseln) und wollen den mitgebrachten Fisch und die Austern für das Abendessen vorbereiten, als es heftig an den Rumpf klopft. Wir liegen ja am Wartesteg, ohne Zugang zum Land, der häufig von Überseeseglern zur Einklarierung genutzt wird. Vier streng aussehende, bewaffnete französische Zollbeamte fragen, ob sie an Bord kommen dürfen. Dieses Angebot ist nur schwer auszuschlagen, und wir bitten die Herren gerne an Bord. Zunächst wird der Skipper ermittelt und dieser wird einer Art Inquisition unterzogen, gefühlt mit Daumenschrauben. Woher, wohin, wie viele Menschen an Bord, welche Nationalität, die Nationalität und der Heimathafen des Schiffes, der Eigner des Schiffes… usw. Alles auf Französisch und zack zack antworten ohne Zögern, damit ich mir keine Lügengeschichten überlegen kann. Dann alle Papiere: Zulassung des Schiffes, Flaggenzertifikat, Funkzulassung, Chartervertrag, Crewliste, Logbuch, Passageplanningformulare. Gut, dass die vorbereitet ist, incl. aller Personalausweisdaten (danke Silke für das Sammenln und Danke Tom fürs mehrfache ausdrucken). Die Personalausweisdaten werden über Funk durchgegeben (was immer es da zu kontrollieren gibt) und die Liste mit den Ausweisen der anwesenden Personen abgeglichen. Ein langes Formular wird vom Zollchef ausgefüllt, während zwei weitere die Kabinen in den Rümpfen kontrollieren und der Vierte alle Backskisten. Alle Schränke und Schapps werden geöffnet, alle Bodenbretter hochgehoben. Die Frage nach Waffen können wir negieren, die Seenotraketen zählen nicht. Auch die Frage nach Bargeld (mehr als 10.000 € pro Person) können wir negieren. Dann die Frage nach Drogen, hier können wir auch negieren, geben aber zur Sicherheit unsere nicht ganz unerheblichen Weinvorräte an, die sie sowieso gefunden hätten. Dann die erlösende offizielle Antwort des französischen Zollpatrouillien-Chefs: „Du Vin n’est pas une drogue“. Nach einer dreiviertel Stunde ist der Spuk vorbei, ich muss noch das Formular unterschreiben, dass die ganze Befragung auf Französisch stattgefunden hat, bekomme einen Durchschlag und sie wünschen uns noch eine gute Fahrt.

Somit haben wir es jetzt amtlich, was die Pälzer unter Euch natürlich schon längst wussten: Wein ist keine Droge, nichteinmal Pfälzer Wein in Frankreich.

Also dann, „Zum Wohl die Pfalz“ und bleibt uns gewogen.

Euer Hägar.

Kulinarik

Der aufmerksame Leser von alten Seefahrtsromanen wie „Der Seewolf“, „Meuterei auf der Bounty“ oder „Moby Dick“ ist leicht geneigt sich unter der Verpflegung auf Schiffen eine recht karge Kost vorzustellen. Bilder von mit Maden versetztem Schiffszwieback mit leicht angeschimmeltem ranzigen Speck, Stockfisch mit schmieriger Salzkruste und verfaultes stinkendes Wasser entstehen in diesem Zusammenhang gerne vor unseren Augen. Aber weit gefehlt, auf der Belle Ile werden kulinarische Hochgenüsse serviert. Schon beginnend mit dem Frühstück, das aus allerlei Leckereien aus der Käse-, Paté- und Süßecke französischer Super Us besteht, zieht sich das leckere Essen den ganzen Tag über durch. Unser BB (Bernd Bocuse) backt jedes Mal die Baguettes auf, sodass die leckeren von ihm zubereiteten Salate noch besser munden.

Zu den leckeren vegetarischen Essen wie Gemüsecurry von Silke und Risotto von Ute werden allerlei Köstlichkeiten aus den französischen Küstengewässern serviert. Man muss sich nur trauen sie zu kaufen. Entgegen allen Unkenrufen sind auch einige unserer Damen sehr experimentell unterwegs, was die Auswahl der Spezialitäten in der Poisonnerie betrifft.

Für das eine oder andere Getier benötigt man sowohl besondere Gerätschaften, die eher an Zahnarztinstrumente als an Essbesteck erinnern, als auch eine Anleitung, wie man durch die harte Schale an die genießbaren Bestandteile kommt. Unser größtes und längstes Crewmitglied hat hierzu seine eigene Art und Weise entwickelt, wie er die Muscheln und Schnecken besiegt, um seinen großen Eiweißbedarf zu decken. Man braucht dazu einen Steg, eine Bierflasche und solide Schuhsohlen. Die detaillierte Methode mag sich der geneigte Leser gerne selbst vorstellen. Sie erinnert aber definitiv nicht an feines Zahnarzthandwerk.

Ihr seht, der Törn ist unter dem Motto „Kompetenzerweiterung“ gestartet und dies gilt auch kulinarisch. Hier ein paar Bilder der Köstlichkeiten auf der Belle Ile.

Steg, Bierflasche & solide Schuhsohle und die Schnecke schmeckt

Frauenpower

Etliche Seeleute und auch viele Landratten denken oft, dass Segler gestandene Mannsbilder mit Händen wie Bratpfannen, Kreuzen wie Holzfäller und Oberarmen wie manch andere Oberschenkel haben sein müssen, um den Unbilden der Meer und den Kräften eines Segelschiffes Stand zu halten. Auch bei unserer Belle Ile ist das Großsegel mit 81 qm so groß wie eine durchschnittliche 3 Zimmer Stadtwohnung und das Fall deshalb zweifach übersetzt, um die Kraft zu halbieren. Außerdem braucht man noch eine 52er Winsch um der Kraft Herr zu werden.

Deshalb war es sehr bewundernswert wie nach dem ersten Ablegen Freiwillige für das Großsetzen gesucht wurden und sich alle unsere vier Damen (Silke, Christine, Ute und Julia) an Bord umgehend am Mast eingefunden haben. Mit Technik, Ausdauer, sich absprechen und sich abwechselnd war das Groß ruckzuck gesetzt, eine tolle Frauschaftsleistung. Auch beim Piloting waren Julia und Christine sofort bereit ihre Kompetenzen zu erweitern und für die Ansteuerung in Ouistrehem die Detailinfos zusammenzustellen. Die erste operative Manöverleitung einer Halse, die bei unserer Belle Ile wegen des riesigen Großsegels, der Schwerter und den Backstagen nicht gerade banal ist, wurde auch sofort von Christine übernommen. Hut ab vor dem Mut neben der eigenen Kompetenzerweiterung auch den anderen zum Vorbild zu dienen.

Unsere Damen sind wirkliche Vollblutseglerinnen, die keine Bratpfannenhände und Baumfällerkreuze brauchen, sondern sich mit Mut, Engagement, sich absprechend und sich gegenseitig helfend selbst weiterentwickeln. Toll.

Starkwindsegeln

Heute hatten wir den ersten Starkwindtag, mit an die 30 kn Wind. leider gegenan. Wir mussten das zweite Reff im Groß einbinden und die Fock zu 50% einrollen. Trotzdem liefen wir noch mit bis zu 8 kn. Unser Funkgerät war eien große Hilfe. Auf einem Schlag war die ganze Zeit ein Frachter mit 130m Länge hinter uns. Auf dem AIS erkannten wir seinen Namen Svenja. Nach einer notwendigen Wende wären wir direkt vor seinem Bug gefahren. Wir haben ihn auf Kanal 16 über unsere Intention informiert, der Kapitän bedanket sich und drehte bei. Wir konnten gefahrlos wenden. Laut ColReg haben Segelboote vor Motorbooten Wegerecht, unabhängig wie groß das Motorboot ist. Das ist hier einfach selbstverständlich, dass der Stärkere dem Schwächeren ausweicht.

Das Anlegemanöveer versprach aufregend und herausfordernd zu werden. Wir hatten starken Wind von schräg hinten in eine enge Boxengasse hinein und auch noch ablandig. Für die Nichtsegler unter Euch: blöder geht kaum noch.

Bei der Hafeneinfahrt haben wir deshalb den Hafenmeister über unseren Liegeplatzwunsch informiert und ihn angefragt, ob er uns beim Anlegen auf der Pier assistiert. Das hat er (wahrscheinlich ob der nicht perfekten Französischkenntnisse ) etwas falsch verstanden und uns auf Kanal 9 verwiesen. Da meldete sich auch schon umgehend der Französische Seenotrettungsdienst und wollte uns in den Hafen schleppen, weil er einen technischen Defekt vermutete. Nach einigen Fragen und Antworten war die Sache dann aber geklärt, er wünschte uns eine gute Hafeneinfahrt und ein unfallfreies Anlegemanöver, und informierte den Hafenmeister, dass er doch bitte auf den Steg kommen sollte. Der war dann später auch zur Stelle, und hat unsere, von Ralf und Bernd bravourös geworfenen Leinen entgegengenommen und belegt. Dadurch gelang das Anlegemanöver ohne Schrammen am Schiff oder der Mannschaft.

Diese Beispiele sind gelebte Seemannschaft in einem schwierigen Revier, wo jeder jedem ohne jeglichen Standesdünkel hilft. Manchmal wünsche ich mir ein wenig davon auch am Bodensee.

Bleibt uns gewogen, Euer Skipper Hägar, Co Skipper Ralf und alle Bretagniers