Bezugs- und Anschlussorte

So nach einigem hin und her, können wir jetzt die Wasserhöhen zu einem beliebigen Zeitpunkt errechnen, wenn wir die Tideninformationen an einem Ort haben. Das ist gut so, denn der Navigator muss diese Berechnungen täglich machen, um herauszufinden wann das Schiff in welchen Hafen kann, und ob man noch über eine Barre kommt.

Aber woher bekommen wir die Tideninfos von einem Ort? Erstmal, klar, aus dem Internet, da gibt es schon gute Seiten für nahezu jeden Hafen. Oder aus dem Navigationsprogramm, auch das ist sehr komfortabel. Allerdings  sollte man als verantwortungsvoller Navigator die Berechnungen auch ohne elektronische Hilfsmittel durchführen können. Dabei hilft uns wieder unser Allheilmittel, der „bloc marine“. Im Kapitel „faire son calcule de maree“ (mache deine Tidenberechnungen) ist zunächst mal ein Übersichtsbild der Tidenverhältnisse in der Bretagne dargestellt.

Isomarnage

Die unterschiedlichen Farben geben den Tidenhub bei einem Coefficient von 95 an. Je blauer umso weniger, und je roter umso mehr Tidenhub. In unserem Startgebiet (bei Port Navalo) ist der Tidenhub also moderat. Aber wenn wir in den Englischen Kanal kommen, wird es schon deutlich mehr und in der Bucht von St Malo ist es extrem mit bis zu 12m! Ein höherer Tidenhub bedeutet auch mehr Wasser, das rein und raus strömt, und somit auch höhere Strömungsgeschwindigkeiten. Zur Strömung kommen wir aber erst in den nächsten Kapiteln.

Weiterhin sehen wir die weißen Linien, die die Zeiten der Hochwasserverschiebung gegenüber Brest angeben. In unserem Startgebiet erreicht die Tide ihren höchsten Stand ca. 15-20 Minuten vor dem Hochwasser in Brest. Bei unserem möglichen Ziel auf den Kanalinseln ca. 2,5 Stunden später. Es herrschen also an jedem Ort unterschiedliche Tidenzeiten und Gezeitenhöhen.

Würde man nun für jeden denkbaren Ort eine eigene Tidentabelle aufstellen, wäre der bloc marine noch viel dicker als er eh schon ist. Deshalb hat man Bezugsorte (ports principales) definiert, für die ausführliche Tabellen ausgedruckt werden. Die Bezugsorte sind in der Zeichnung oben mit schwarzen Punkten gekennzeichnet. Für unsere Starthäfen ist Port Navalo der Bezugsort. Die anderen Orte in der Umgebung werden als „ports rattaches“ (Anschlussorte) bezeichnet. Dazu gibt es eine Tabelle, die anzeigt welche Unterschiede bezüglich der Hoch-/Niedrigwasserzeit und des Hoch-/Niedrigwasserstands sowohl bei Springzeit als auch bei Nippzeit gegenüber dem Bezugsort ergeben.

Bezugs- und Anschlussorte

ports rattaches
Bezugshafen: Port Navalo Anschlusshafen: La Trinite sur mer, Port le Crouesty

In La Trinite sur mer ist also bei Springzeit (vive eau, VE) das Hochwasser (pleines mers) 15 Minuten vor dem Hochwasser in Port Navalo und 40 cm höher. Das Niedrigwasser (basses mers) aber nur 5 Minuten und 15 cm höher. Bei Nippzeit (morte eau, ME) ist das Hochwasser 10 Minuten vor dem in Port Navalo und 35 cm höher. Das Niedrigwasser ist auch 5 Minuten vor Port Navalo und 20 cm höher.

Den Zeit- und den Tidenunterschied kann man also im Prinzip vernachlässigen, da es sowieso nur bei Niedrigwasser relevant ist (sofern wir nicht unter einer Brücke durchsegeln wollen). 5 Minuten und maximal 20 cm sind bei unseren Sicherheitsabständen bereits inbegriffen. 20190317_144146

Trotzdem, für all diejenigen, für die das ewige Rechnen nicht zu langweilig wird, und um das Prinzip zu lernen die heutige Aufgabe: Bitte rechnet aus wie denn die genauen Tidenhöhen und -Zeiten in Port de Crouesty am 16. und 17. 12. 2018 waren und erklärt wie der Rechenweg war. Wir wollen schließlich alle voneinander lernen!

Wahrscheinlich habt ihr es schon bemerkt: Bei der Tidennavigation gibt es 3 wichtige Kompetenzen:

  1. Rechnen
  2. Rechnen
  3. Rechnen

Bleibt uns gewogen und ich freue mich auf zahlreiche Lösungsvorschläge, Euer Hägar

Kompetenzerweiterung

Der CI hat natürlich recht. Der Blog und der ganze Törn steht ja unter dem Moto Kompetenzerweiterung, Feedback geben und positive Fehlerkultur. Und das gilt natürlich für alle. Karsten hat mich dankenswerter darauf hingewiesen, dass der schwarze Mond in der Tidentabelle nicht -wie fälschlicherweise im ersten Blog angegeben- Vollmond, sondern Neumond bedeutet. Vielen Dank für den Hinweis, der vollkommen richtig ist. Das werde ich jetzt auch nicht mehr vergessen.

Bei der Navigation in Tidenrevieren ist es wichtig, wie auch der CI angemerkt hat, dass man immer seine Augen und Ohren offen hat, mitdenkt und -rechnet und Auffälligkeiten oder Unklarheiten anspricht. Davor sollte man auch beim Törn keine Scheu haben, denn vier oder acht Augen sehen mehr als zwei. Es passiert natürlich nicht immer gleich ein Schaden, wenn etwas übersehen wird. Aber wenn mehrere Dinge gleichzeitig in die falsche Richtung laufen kann sich das summieren. Deshalb ist es wichtig Dinge, die einem merkwürdig vorkommen zu hinterfragen und nicht zu denken der andere wird schon alles richtig machen.

Bei unklaren Situationen sollte man darum die Sicherheitswassertiefe von 1m unter Kiel einrechnen. Wenn dann z.B. stärkerer ablandiger Wind aus Osten  weht mit hohem Luftdruck kann es schonmal 30-40 cm weniger Wasserstand geben. Kommt einem dann in der engsten Stelle der Hafeneinfahrt noch ne Fähre entgegen, der man an den Rand des Fahrwassers ausweichen muss, kann dort vielleicht 20-30 cm weniger Wasser stehen. Die Fähre macht dann auch noch eine Welle und in deren Tal kann es nochmal 30-40 cm weniger Tiefgang haben und einen noch weiter an den Fahrwasserrand versetzten. Und schon kann es knapp werden und man kann aufsitzen. Herrscht dann auch noch ablaufendes Wasser und man kommt aus irgendeinem Grund nicht gleich von der untieferen Stelle runter, liegt man etwas später hoch und trocken, schwer auf der Backe.

Zugegebener Weise sind das schon viele Dinge die zusammenkommen müssten, und das ist unwahrscheinlich. Mit einem Meter Wasser unter dem Kiel ist man also auf der sicheren Seite, bei 50 cm kann es schon bei 2 gleichzeitigen ungeplanten Ereignissen mal knapp werden.

Was lernen wir daraus, man sollte sich nicht nur eine Alternative B überlegen, sondern immer auch noch eine Alternative C. Wenn dann 2 Dinge gleichzeitig passieren (A und B gehen nicht) gibt es immer noch C. So wollten wir mal ne Nacht durchsegeln, aber die Wetterverhältnisse, und vor allem die Wellenverhältnisse waren uns nicht gewogen. Wir brachen den Nachttörn ab und wollten als Alternative B den Hafen auf der Ile de Yeu anlaufen. Der Hafenmeister ließ uns aber nicht rein, da ein großes Regattafeld den ganzen Hafen belegte. Da waren wir sehr froh, dass es ein weiterer Hafen als Alternative C eingeplant war, den wir gerade noch mit ausreichend Wasser über der Barre erreichen konnten.

Also, jetzt zur Lösung der Einlauffrage: Alles in allem kann die X 46 ab 4.15 Uhr in Le Crouesty einlaufen und hat noch  den einen Meter Sicherheit unter dem Kiel. Da kann dann nichts passieren, auch nicht unter ungünstigen Verhältnissen. Das gibt den goldenen Bretagnestern auf die Schulterklappen von Karsten.

Thomas bekommt den silbernen Stern, er hatte die Rechnung komplett richtig, hat allerdings im Juni 2019 gerechnet, und nicht wie in der Aufgabe vorgegeben im Juni 2018.

 

Die 12er Regel

Liebe Freunde der Tidennavigation,

neben Ralf hat Thomas die Lösung gefunden. Tom mit der X46 kann an unserem Ankunftstag immer in Port de Crouesty einlaufen. Die minimale Tidenhöhe wird an diesem Tag bei 2,26 m liegen. Diese Tidenhöhe muss man zur Kartentiefe dazuzählen. Die niedrigste Kartentiefe in der Einfahrt von Port de Crouesty ist je nach Information bei 1,4m (Hafenkarte) oder 1,8 m (Info im Hafenhandbuch über die Barre am Hafeneingang). Aber wie dem auch sei, die geringste Wassertiefe in der Hafeneinfahrt ist am 24.8. 2019  dann entweder 3,66m oder 4,06m. D.h. die X46 mit einem Tiefgang von 2,4m hat immer mindestens 1,25m Wasser unter dem Kiel, kann also gefahrlos in Port de Crouesty einlaufen und bei Bernd die Weinvorräte plündern. Bei Hochwasser mit 4,34 m Tidenhöhe wären dann 5,74m bzw.  6,14m Wasserstand. also noch viel mehr Tiefe. Wir hoffen, das war jetzt nicht zu schwer??

Was lernen wir daraus? Erstens, es gibt verschiedene Angaben zu den Wassertiefen in den Häfen und Hafeneinfahrten aus den unterschiedlichen Quellen. Deshalb tuen wir gut daran immer einen Sicherheitsabstand einzurechnen, und trotzdem vorsichtig in die Häfen einzufahren. Dabei sollte bei knappen Situationen das Echolot immer im Auge behalten werden. Im letzten Jahr hatten wir bei der Einfahrt in Loctudy deshalb einen „Ansager“ der die Tiefe permanent bekanntgab (Manfred, Du erinnerst Dich?).

Wichtig dabei ist auch am Anfang des Törns zu überprüfen wie denn das Lot eingestellt ist (absolute Wassertiefe oder Wassertiefe unter dem Kiel). Den Angaben des Charterpersonals kann man nicht immer 100% trauen. Deshalb macht es Sinn mit einem Handlot die absolute Tiefe zu ermitteln und mit der Echolotangabe zu vergleichen. Dann ist man in kritischen Situationen gewappnet.

Bis jetzt haben wir uns in unserem Blog sehr stark auf die elektronischen Hilfsmittel wie Navigationsprogramm oder Internet verlassen. Um bei Stromausfall oder bei keinem Internetempfang auch sicher navigieren zu können, sollte man die Tidenhöhen auch händisch ausrechnen können. Dazu nehmen wir unseren Bloc Marine in die Hand, in dem alle Informationen schriftlich in Papierform niedergelegt sind.

Tide Brest
Auszug aus dem Bloc Marine, Tideninfos im Juni 2018 für Brest

Nehmen wir mal an, wir wollen am 16. Juni 2018 nachmittags in Brest einlaufen. An diesem Tag ist um ca. 14 Uhr (genauer: 13.57 Uhr) Niedrigwasser mit 1,05 m und 6 Stunden später um 20 Uhr (genauer: 19.59) Hochwasser mit 7,20 m.  Es ergibt sich also ein Tidenhub von  6,15 m. Die Frage stellt sich, wie sich denn die Tidenstände zwischen 14 und 20 Uhr entwickeln.

20190224_130859Dazu gibt es die 12er Regel, die zwar nur eine Abschätzung ist, die sich aber in den meisten Fällen als hinreichend genau erwiesen hat.

Die 12er Regel besagt, dass in der ersten Stunde nach Niedrigwasser 1/12 des Gesamttidenhubs geschieht, in der 2. Stunde 2/12, in der 3. Sunde 3/12, in der 4. Stunde 3/12, in der 5. Stunde 2/12 und in der 6. Stunde 1/12. Im Bloc Marine gibt es dazu auch eine Grafik. Damit kann man die Gezeitenhöhen zwischen Niedrig- und Hochwasser bestimmen.

In unserem Fall haben wir einen Tidenhub von 6,15 m. Ein Zwölftel davon ist 51 cm. Das Wasser wird also in der ersten Stunde um 51 cm steigen. Um 15 Uhr steht die Tide dann bei 1,56m. In der 2. Stunde steigt das Wasser dann um 1,02 m, so dass um 16 Uhr 2,58 m Tide steht. In der 3. Stunde bekommen wir weiter 1,53 m Wasser was zu einer Tidenhöhe von 4,11m um 17 Uhr führt. In der 4. Stunde kommt nochmals 1,53 m Wasserstand dazu (5,64 m um 18 Uhr) und in der 5. Stunde 1,02m (6,66m um 19 Uhr). In der letzten Stunde dieser Flut zwischen 19 und 20 Uhr steigt das Wasser dann wieder nur um 51cm.

Mit dieser Regel kann man also die Wasserstände ohne elektronische Mittel überschlagen, auch wenn es nicht gerade Hoch- bzw. Niedrigwasser ist.

So jetzt zur heutigen Aufgabe: 

Port Navalo

In der Nacht zum 16. Juli 2018 möchte die X46 am frühen Morgen den Port de Crouesty anlaufen. Wann kann sie frühestens einlaufen (auf die halbe Stunde genau). Bitte mit der 12er Regel berechnen.

 

Ich hoffe auf viele Antworten.

Viele Grüße Hägar

 

 

 

 

 

 

Wassertiefenberechnung

So, die erste Aufgabe war entweder zu schwer oder zu leicht. Nur Thomas L. hat die Lösung gefunden. Wir haben am Anfang des Törns Nippzeit  (Koeffizient 39) und in der Mitte (1.9.) eine starke Springzeit mit einem Koeffizienten von 113. Wir werden also moderat einsteigen und hoffentlich alle schnell lernen. Wenn wir dann im Englischen Kanal sind, mit den besonders starken Strömungen und den besonders hohen Tidenhüben, haben wir auch noch eine sehr hohen Koeffizienten. Das wird spannend.

Was bedeutet dies jetzt für die Wassertiefe. Man kann das alles von Hand rechnen mit den Infos aus dem Bloc Maritim, das machen wir im nächsten Blog. Heute machen wir es uns etwas einfacher und nutzen ein Navigationsprogramm. Im Time Zero Navigator kann man sich für viele Häfen und Durchfahrten die tidenbedingte Wasserstände zu jedem Zeitpunkt herunterladen.

Snapshot_2019_03_03_102758
Samstag 24.8. 2019 um 10.08 Uhr

Die gelben Balken geben den aktuellen Wasserstand an. Je gelber der Balken ist, umso näher ist man am Hochwasser. Man erkennt, dass in Port de Crouesty schon fast Hochwasser ist (der Balken ist fast komplett gelb). Wohingegen im Golf de Morbihan erst ca. die Hälfte des Hochwasserstandes erreicht ist. Die Balken sind nur halb voll und der kleine Pfeil am oberen Rand des Balkens zeigt an, dass das Wasser noch steigt.

Klickt man auf den Balken öffnet sich für den jeweiligen Ort ein Fenster mit vielen detaillierten Infos. Diese werden die Tagesnavigatoren während des Törns sehr häufig brauchen, sowohl für die Tages-, als auch für die Routenplanung. Deshalb macht es Sinn sich jetzt schonmal damit vertraut zu machen.

Tidenkurve
Tidenverlauf in Port Crouesty am Samstag den 24.8.2019

Man erkennt zunächst den Bezugspunkt (Port du Crouesty) den grünen Pfeil nach oben, also es herrscht Flut und das Wasser steigt noch,  den aktuellen Tidenstand mit 4,13 m um 10.08 Uhr. Damit es zu keinen Rechenfehlern bei der Zeit kommt, ist auch noch angegeben, dass es sich um Mitteleuropäische Sommerzeit, also Ortszeit handelt. Die Mondphase ist mit letztem Viertel angegeben, so dass klar ist, dass es sich um Nippzeit handelt. Das kann man auch am rechten Rand sehen, wo die Koeffizienten angegeben sind mit 39-44. Dort sieht man auch die jeweiligen Hoch- und Niedrigwasserzeiten. Das nächste Hochwasser ist um 11.25 Uhr mit 4,34 m. Das Wasser steigt also bis dahin noch um ca. 20 cm. Der angegebene Tidenstand gibt jeweils die zusätzliche Wasserhöhe zur Kartentiefe an. 

Da wir ja Nippzeit haben ist der Tidenhub mit nur  ca. 2 m an unserem Abreisetag recht gering. In der blauen Kurve sieht man den genauen Verlauf der Wasserstandsänderungen. In Port de Crouesty ist er ziemlich sinusähnlich. Das ist aber nicht überall in der Bretagne der Fall.

Darüber hinaus ist in dem Fenster noch die Sonnenauf- und -untergangszeit angegeben. In der Tidenkurve, kann man auch die Tageslicht-, Nacht- und Dämmerungsphasen an der dunkleren Hinterlegung erkennen. Das ist hilfreich, um zu wissen wie denn bei früher Ablegezeit oder bei später Ankunft die Lichtverhältnisse sind.  Man hat also recht viele wichtige Infos in einem Fenster.

So, nach diesen theoretischen Infos jetzt eine konkrete praktische Aufgabe. Tom möchte mit der X 46 an unserem Ankunftstag Bernd in Port de Crouesty abholen. Zu welchen Zeiten hätte er genügend Wassertiefe, wenn er als Sicherheitsabstand mindestens 1m unter dem Kiel haben möchte? Alle Infos, die ihr braucht sind in den Blogs vorhanden.

Ich hoffe, dass außer Thomas L. noch mehr Törnteilnehmer diese Frage beantworten können.

Bis dahin, Euer Hägar

 

 

Erste Tideninfos

So, liebe Freunde der Bretagne, unser Flottillentörn steht ja unter dem Motto der Kompetenzerweiterung deshalb nähern wir uns heute mal der Tidennavigation an. Dazu brauchen wir viele Infos, die man aus verschiedenen Quellen ziehen kann. Zunächst mal eine gute Nachricht: alle Infos zur Navigation und zu den Tidenberechnungen in der Bretagne, der Atlantikküste und dem Englischen Kanal findet man in einem einzigen Buch, dem Bloc Marine atlantique. Dieses Buch kommt jedes Jahr aktualisiert für ca. 30€  heraus.

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Die Ausgabe des Bloc Marine von 2018

Der aktuelle Bloc Marine befindet sich selbstverständlich auf jedem unserer Schiffe.

Die schlechte Nachricht: Der Bloc Marine ist vornehmlich in Französisch geschrieben und nur wenige wichtige Infos sind in Englisch. Nun denn, dann müssen wir unsere Schulfranzösischkenntnisse herauskramen und unsere Kompetenzen eben erweitern ;-).

Zunächst ein paar grundlegende Informationen zu den Tidenverhältnissen in der Bretagne. Die Franzosen haben ein -meines Erachtens- sehr intelligentes System zur Beschreibung der Tidenverhältnisse entwickelt, den Koeffizienten (le coefficient). Der coefficient beschreibt in einer Zahl zwischen 20 und 120 die Tidenverhältnisse, also ob gerade Spring-, Mitt- oder Nippzeit herrscht und wie stark der Tidenhub dabei ist. Springzeit heißt auf Französisch vives eaux (lebendige Gewässer) oft abgekürzt als VE oder grande coefficient (hoher Koeffizient), Nippzeit heißt mortes eaux  (tote Gewässer, abgekürzt ME) oder petit coefficient, kleiner Koeffizient. Normale Springzeiten haben einen Koeffizient von 95 und normale Nippzeiten einen Koeffizient von 45. In der Mittzeit hat man einen Koeffizienten von 70. Es gibt aber auch extremere Spring- und Nippzeiten. Ein Koeffizient von 120 zeigt dabei an, dass zu dieser Zeit der maximal jemals erreichbare Tidenhub herrscht und bei 20 der minimale jemals mögliche.

Tidenverhältnisse
Tidenverhältnisse Oktober 2018

Als Beispiel ist hier die Situation im Oktober 2018 dargestellt. Man sieht hier jeweils die Hochwasserzeit in Brest und den dazugehörigen coef. Man sieht, dass am 10. Oktober kurz nach Vollmond ein besonders hoher Koeffizient von 108 herrschte. Das bedeutet, dass an diesem Tag das Hochwasser (pleine mer, PM) besonders hoch, und das Niedrigwasser (basse mer, BM) besonders tief war und dadurch auch die dazugehörigen Strömungen besonders stark waren.

Am 17. 10. wiederum, einen Tag nach dem ersten Mondviertel, war der Koeffizient besonders niedrig mit 29. Das bedeutet, dass an diesem Tag extreme Nippzeit herrschte, und der Tidenhub sehr gering war. Das heißt bei Niedrigwasser steht noch ordentlich zusätzliches Wasser zur in der Karte eingezeichneten Wassertiefe. An den Farben kann man auf den ersten Blick erkennen welcher Koeffizient gerade herrscht. Je dunkler das rot, desto größer ist der Koeffizient, und je heller das blau, umso niedriger ist der Koeffizient.

Der Koeffizient wird uns den ganzen Törn begleiten, gibt er uns doch wichtige Informationen über die Wassertiefenschwankungen und die Strömungsstärke. Deshalb jetzt die erste Aufgabe für die zukünftigen Bretagnenavigatoren: bitte findet heraus, welche Koeffizienten wir während unseres Törns haben werden. Wann haben wir vives eaux und wann mortes eaux und wie stark. Die ersten 3, die die richtige Antwort in den Kommentar schreiben, bekommen einen bronzenen, silbernen und goldenen Bretagnestern auf die immaginären Schulterklappen ;-).

Wozu benötigen wir diese Infos? Je nach Koeffizient wird sich der Wasserstand in den Häfen unterschiedlich verändern und dies ist besonders wichtig beim Ein- und Auslaufen.  Viele Häfen haben nicht immer genügend Wassertiefe in den Einfahrten, bzw. es befinden sich Barren  vor den Häfen. Außerdem ist es wichtig zu wissen ob auch beim nächtlichen basse mer das Schiff nicht aufsitzt und die Schläfer durch die Schräglage aus den Kojen kullern.

Aber das machen wir aber beim nächsten Mal.

Bis dahin, bleibt uns gewogen, Euer Hägar.

 

 

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Ausgangshäfen

Ja, die Überschrift ist kein Tippfehler, wir haben leider 2 Ausgangshäfen. Aber die sind nicht sehr weit voneinander entfernt (8 sm). Beide liegen in der Baie de Quiberon in der Südbretagne.

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Die X 46 (Tom) und der Outremer Katamaran (Hägar) starten in Trinité sur mer, wohingegen die First 40 (Bernd) im Port de Crouesty liegt. Trinité sur mer liegt etwas nördlicher in einem Flußlauf und Port de Crouesty liegt  neben dem Eingang zum Golf de MorbihanSnapshot_2019_02_16_174953

Beide Häfen sind recht groß, wir brauchen also genaue Angaben wo die Schiffe liegen werden. Die Fahrrinne nach Trinité sur mer ist sehr tief, hier werden wir auch bei Springniedrigwasser rein und raus kommen. Neben der Fahrrinne gibt es allerdings einige trockenfallende Sandbänke, hier heißt es gut zu navigieren.

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In den Karten sind die Sandbänke grün eingezeichnet, und der Strich unter der „Tiefenangabe“ gibt an, wie hoch die Sandbank bei Springniedrigwasser trockenfällt. Unsere Schiffe befinden sich ganz im Norden kurz vor der Brücke am Steg R.

Im Hafen gibt es auch noch einige Bojenliegeplätze, an denen sehr große Schiffe liegen. So liegt z.B. der schnellste Weltumsegler-Trimaran, die Idec Sport dort. Mit diesem Hitech Renner hat der Franzose Francis Joyon im Jahre 2017 die Welt in weniger als 41 Tagen umrundet. Vielleicht sehen wir ihn ja, und er kann den Regattafreaks unter Euch ein paar Tips geben 😉 (https://www.t-online.de/sport/id_80183766/franzoesischer-crew-gelingt-schnellste-weltumsegelung-der-geschichte.html)

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Trinité sur mer, der rote Weltrekordtrimaran ist unter dem „V“ zu sehen

Zum Port le Crouesty muss man auch durch einen Kanal fahren. Dieser ist allerdings nicht so tief wie bei Trinité und so muss man hier schonmal rechnen wann man raus und rein kann. Die untiefste Stelle ist 1,8 m bei Springniedrigwasser, also sehr häufig passierbar, aber eben nicht immer.

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Port Le Crouesty

Bei diesem Hafen gibt es bei der Ausfahrt sehr starke Querströmungen, da man den Eingang zum Golf de Morbihan passieren muss. Und dort gibt es einen der stärksten Tidenströme in Europa mit bis zu 9 kn bei Springzeit. Also Bernd, bei der Ausfahrt gut vorhalten

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Port Le Crouesty

Zu den Tiden kommen wir aber später.

Bis dahin Euer Hägar

Schiffsvergleich

Wie Ihr den Photos wahrscheinlich schon entnommen habt, sind die 3 Schiffe recht unterschiedlich, was die Länge, das Baujahr und auch die Konstruktionsform anbelangt. Deshalb bleibt die Frage, wie unterschiedlich segeln die einzelnen Konstruktionen, auf welchem Kurs sind wir wie schnell, und können wir als Flottille überhaupt zusammenbleiben?

Dazu schauen wir uns zunächst einmal die grundlegenden Daten der Schiffe im Vergleich an:

schiffsdaten

Betrachten wir zunächst die Segeltragezahl (STZ) fällt auf, dass die X 46 und die First ähnlich sind. Die STZ ist die Quadratwurzel der Segelfläche dividiert durch die Kubikwurzel der Verdrängung. Je höher die Segeltragezahl ist, umso mehr Segelfläche hat das Schiff also im Verhältnis zur Verdrängung und umso höheres Geschwindigkeitspotenzial besitzt das Schiff, besonders bei geringen Windstärken. Reine Fahrtenyachten haben häufig STZ um die 4,0 und Performance-Cruiser/ Cruiser-Racer oft so um die 5,0. Wir haben also zwei recht schnelle Schiffe.

Vergleichen wir das Länge zu Breitenverhältnis fällt auf, dass die X 46 schlanker ist als die First 40. Außerdem hat die X einen um 40 cm größeren Tiefgang. Der Ballastanteil wiederum ist bei beiden Schiffen ähnlich.  Die X erhält also Ihre Stabilität durch das große aufrichtende Moment des langen Kielhebelarms und die First durch die Formstabilität der größeren Breite. Die X wird also schneller krängen, damit der Hebelarm wirken kann, und die First ist weniger rank.

Die Wasserlinienlänge der X ist gegenüber der First auch deutlich länger. All dies lässt darauf schließen, dass die X 46 an der Kreuz bessere Leistungen erbringt als die First. Sie wird höher und schneller segeln und dadurch eine größere VMG (Velocity made good) erzielen, sie wird also schneller nach Luv kommen.

Betrachten wir uns die Risse der Yachten von oben, fallen noch weitere Unterschiede ins Auge. Die gröschiffsvergleicheßte Breite der X 46 (das oberste Bild) ist in der Mitte des Rumpfes und im Heck nimmt die Breite deutlich ab. Dies waren die Designmerkmale Ende der 1990er, als die X konstruiert wurde.

Die First 40 hingegen wurde Mitte der 2000 er konstruiert und ist im Heck viel fülliger. Das führt zum Einen zu mehr Breite in den Achterkabinen, und zum Anderen zu einem größeren Auftrieb achtern. Bei Vorwindkursen wird das Heck durch die Wellen besser angehoben und die Yacht beschleunigt auf diesen Kursen besser. Es ist also anzunehmen, dass bei Vorwindkursen die First trotz der geringeren Wasserlinienlänge mit der X aufschließen kann.

Der Katamaran hingegen hat ein anderes Stabilitätsprinzip. Er bezieht sein Aufrichtendes Moment fast ausschließlich aus der Formstabilität der großen Breite. Das kann man gut am kleinen Länge-zu-Breite Verhältnis sehen. Durch den Wegfall des Kielgewichts kann man bei einem Kat deshalb auch eine bessere Segeltragzahl realisieren. Der Outremer ist ungefähr so schwer wie die X 46 aber fast 3 Meter länger und hat 25 m² mehr Segelfläche. Dies lässt auf ein hohes Geschwindigkeitspotenzial schließen. Jedoch sind die Amwindeigenschaften von Katamaranen, bedingt durch die große Breite und den ineffektiven Lateralplan, den Monohulls unterlegen. Dies gilt besonders bei geringen Windstärken (< 8 kn). Beim Outremer versucht man diesen Nachteil durch ein Steckschwert (variabler Tiefgang) zu reduzieren.

Vor dem Wind jedoch kann der Outremer seinen Gewichtsvorteil in höhere Geschwindigkeiten umsetzten und zusätzlich auch noch die benetzte Fläche durch ein Aufholen des Schwertes reduzieren. Bei diesen Kursen wird er also recht flott unterwegs sein.

Alles trockene Theorie, was heißt das praktisch für die möglichen Geschwindigkeiten? Für jedes Schiff gibt es Berechnungen über die maximal zu erzielende Geschwindigkeiten in Abhängigkeit von der wahren Windgeschwindigkeit und dem wahren Windeinfallswinkel. Diese Velocity Prediction Programms (VPP) ermitteln Polardiagramme mit der Zielgeschwindigkeit für jeden Kurs und werden bei der ORC Bewertung herangezogen. Mit diesen Daten können wir die Geschwindigkeitspotenziale unserer 3 Schiffe für verschiedenen Kurse vergleichen.

polardaten flottillenschiffe

In der Liste könnt ihr die berechneten Bootsgeschwindigkeiten für 3 verschiedene Windgeschwindigkeiten (8 kn, 14 kn, 20 kn) sehen. Die Bootsgeschwindigkeiten sind für einen Amwindkurs (True wind angle 50°) und einem Vorwindkurs (True Wind Angle 150°) angegeben. Außerdem ist die Geschwindigkeit, die gegen den Wind erzielt werden kann (VMG Velocity made good) berechnet.

Bei geringen Windgeschwindigkeiten (3 Bft, 8 kn) wird die X 46 etwas schneller nach Luv segeln als die First bzw. der Outremer. Die guten Amwindeigenschaften der X (siehe oben) sind dafür verantwortlich. Tom wird bei einem solchen Kurs also als erstes im Hafen sein, und kann schonmal für die anderen den Anlegeschluck bereitstellen. Die First und der Outremer werden gleichzeitig aber etwas später ankommen.

Vor dem Wind ändert sich die Situation. Der Kat wird seine Vorwindstärke ausspielen können und ca. einen halben Knoten schneller das Leeziel erreichen. Die X und die First sind bei diesem Kurs gleich schnell. In diesem Fall werden wir die Drinks bereithalten.

Bei mittleren Windstärken (14 kn, 4 bft) werden bei einem Amwindkurs die X und der Outremer gleichzeitig am Luvziel ankommen. Die First wird ca. einen halben Knoten weniger VMG machen. Dafür gibt es dann einen doppelten Anlegeschluck ;-).

Bei diesem Wind wird der Kat beim Vorwindkurs hingegen mit ca. 1,5 kn mehr speed das Leeziel erreichen. Die X und die First dürften gleich schnell etwas später ankommen.

Bei stärkerem Wind (5 bft, 20 kn) wird der Kat sowohl am Wind, als auch vor dem Wind mit 1,5-2 kn schneller sein als die Monohulls. Die X und die First sind aber auf beiden Kursen ähnlich schnell und kommen wieder gleichzeitig an.

Es hängt also von der Windgeschwindigkeit und vom Kurs zum Wind ab, wie die unterschiedlichen Geschwindigkeitspotenzale der Schiffe sich auswirken. Im großen und ganzen müsste es uns aber gelingen den Törn über zusammenzubleiben und jeweils etwas früher oder später den gleichen Hafen zu erreichen.

Selbstverständlich sind das nur Idealwerte, die je nach Zustand der Segel und von evtl. vorhandener Dünung von den angegebenen Zahlen abweichen können. Die Erfahrungswerte mit der X 46, die wir ja letztes Jahr schon 2 Wochen gesegelt sind, zeigen aber, dass man durchaus an diese Geschwindigkeiten herankommen kann. Hoffen wir mal, dass wir das mit den beiden anderen Schiffen auch schaffen.

Was diese Geschwindigkeitsunterschiede und die Tiefgangunterschiede für die Abfahrtszeiten in einem Tidenrevier bedeuten erläutern wir in einer der nächsten Beiträge.

Liebe Grüße Euer Hägar

 

Wellen

So, liebe Freunde, auch dieser tolle Törn geht leider zu Ende.

Am letzten Tag sind wir zwar nur 7 Seemeilen gefahren, aber die hatten es in sich. Die Vorhersage war 4-5 bft aus West, also ideal um nach NzW (an die Hobbynautiker unter Euch, wie lautet dieser Kurs in Grad? für die richtige Antwort gibt’s wie immer einen like) zu segeln. Real waren es aber 6 bft aus WNW. Wir sind mit doppelt gerefftem Groß und mit Motorunterstützung schwer stampfend und rollend wieder zurück nach Makkum gefahren. Das Segelsetzen und bergen war reine Schwerstarbeit für die Kinder. Haben sie aber toll hinbekommen.

 

[wpvideo QQRuOF6P]

Beim Tanken dann nochmal Schwerstarbeit. Der Wind stand genau von hinten, und eine kleine Yacht blockierte auch noch einen Teil des Kais, so dass wir nicht schnell genug eine Achterleine legen konnten. Die Vrouwe Franciska drohte über den Steven durchzudrehen und auf die kleine Yacht zu knallen. Dank der schnellen Reaktion von Andrea und Paul, die eine Leine legen konnten, wurde dieses Unheil aber abgewendet.

Der Anleger hat dann gut geklappt, das Schiff in Rekordzeit ausgeräumt und geputzt. Der Eigner war froh, dass er bei diesem Wetter eine so eingespielte Crew an Bord hatte, und keine Schäden entstanden sind.

Insgesamt hatten wir 150 sm mit schönen Segeltagen, Wantijdurchfahrten, Wantijtaufen, Trockenfallen mit Austernessen und romantische Kanäle durch Friesland. Nicht zu vergessen die beiden Waddeneilanden Terschelling und Ameland, sowie die Radtour. Die Vrouwe Franciska ist ein gut gewartetes und ausgerüstetes Schiff. Wir haben sowohl den Klüver als auch die Reffs benötigt. Nur den Anker haben wir nicht benutzt.

 

[wpvideo IizL6dGt]

Hier noch ein paar Bilder und Videos

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Abendstimmung in Harlingen
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Schon mal üben???
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Beim Schlauchi aufpumpen
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Kanalromantik
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Abschiedstränen
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Hier eher spannend……
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……da eher langweilig
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Vorbereitungen für die Zwiebelsuppe

 

[wpvideo JhvibCku]

 

 

 

 

 

Hollandwetter

Leider war heute das typische Hollandwetter: viel Wind und das von vorn. Das ist schlecht zum Fahrradfahren, und auch zum Segeln. Deshalb haben wir beschlossen nicht mehr über die Waddenzee zu fahren. Sonst hätten wir 6 bft Wind gegen 1 kn Ebbstrom gehabt. Das wäre ungemütlich geworden.

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Orange vor grauem Hintergrung

Deshalb sind wir innen herum die „Stande Mast Route“ gefahren. Gefühlt 20 Brücken und Schleusen. Aber mit der Profimaat Sara auf dem Vorschiff ging alles gut. Die engste Brücke war hier in Workum, mit einer Breite von 6,9m. Bei einer Schiffsbreite von 5,2m sehr eng.

 

[wpvideo vRhwomB1]

Bevor jetzt ein angehender Wirtschaftsingenieur einen schlauen Spruch meint machen zu müssen, es war auch noch Querwind dazu, und vor und nach der Brücke lagen auch noch andere Schiffe.

Unsere Reise geht jetzt so langsam zu Ende. Wir haben eine schöne Runde in Friesland gefahren. Ole ist nun sehr traurigGesamttour.PNGMorgen gibt es dann noch ein Abschlussvideo.