So nach einigem hin und her, können wir jetzt die Wasserhöhen zu einem beliebigen Zeitpunkt errechnen, wenn wir die Tideninformationen an einem Ort haben. Das ist gut so, denn der Navigator muss diese Berechnungen täglich machen, um herauszufinden wann das Schiff in welchen Hafen kann, und ob man noch über eine Barre kommt.
Aber woher bekommen wir die Tideninfos von einem Ort? Erstmal, klar, aus dem Internet, da gibt es schon gute Seiten für nahezu jeden Hafen. Oder aus dem Navigationsprogramm, auch das ist sehr komfortabel. Allerdings sollte man als verantwortungsvoller Navigator die Berechnungen auch ohne elektronische Hilfsmittel durchführen können. Dabei hilft uns wieder unser Allheilmittel, der „bloc marine“. Im Kapitel „faire son calcule de maree“ (mache deine Tidenberechnungen) ist zunächst mal ein Übersichtsbild der Tidenverhältnisse in der Bretagne dargestellt.
Die unterschiedlichen Farben geben den Tidenhub bei einem Coefficient von 95 an. Je blauer umso weniger, und je roter umso mehr Tidenhub. In unserem Startgebiet (bei Port Navalo) ist der Tidenhub also moderat. Aber wenn wir in den Englischen Kanal kommen, wird es schon deutlich mehr und in der Bucht von St Malo ist es extrem mit bis zu 12m! Ein höherer Tidenhub bedeutet auch mehr Wasser, das rein und raus strömt, und somit auch höhere Strömungsgeschwindigkeiten. Zur Strömung kommen wir aber erst in den nächsten Kapiteln.
Weiterhin sehen wir die weißen Linien, die die Zeiten der Hochwasserverschiebung gegenüber Brest angeben. In unserem Startgebiet erreicht die Tide ihren höchsten Stand ca. 15-20 Minuten vor dem Hochwasser in Brest. Bei unserem möglichen Ziel auf den Kanalinseln ca. 2,5 Stunden später. Es herrschen also an jedem Ort unterschiedliche Tidenzeiten und Gezeitenhöhen.
Würde man nun für jeden denkbaren Ort eine eigene Tidentabelle aufstellen, wäre der bloc marine noch viel dicker als er eh schon ist. Deshalb hat man Bezugsorte (ports principales) definiert, für die ausführliche Tabellen ausgedruckt werden. Die Bezugsorte sind in der Zeichnung oben mit schwarzen Punkten gekennzeichnet. Für unsere Starthäfen ist Port Navalo der Bezugsort. Die anderen Orte in der Umgebung werden als „ports rattaches“ (Anschlussorte) bezeichnet. Dazu gibt es eine Tabelle, die anzeigt welche Unterschiede bezüglich der Hoch-/Niedrigwasserzeit und des Hoch-/Niedrigwasserstands sowohl bei Springzeit als auch bei Nippzeit gegenüber dem Bezugsort ergeben.
In La Trinite sur mer ist also bei Springzeit (vive eau, VE) das Hochwasser (pleines mers) 15 Minuten vor dem Hochwasser in Port Navalo und 40 cm höher. Das Niedrigwasser (basses mers) aber nur 5 Minuten und 15 cm höher. Bei Nippzeit (morte eau, ME) ist das Hochwasser 10 Minuten vor dem in Port Navalo und 35 cm höher. Das Niedrigwasser ist auch 5 Minuten vor Port Navalo und 20 cm höher.
Den Zeit- und den Tidenunterschied kann man also im Prinzip vernachlässigen, da es sowieso nur bei Niedrigwasser relevant ist (sofern wir nicht unter einer Brücke durchsegeln wollen). 5 Minuten und maximal 20 cm sind bei unseren Sicherheitsabständen bereits inbegriffen.
Trotzdem, für all diejenigen, für die das ewige Rechnen nicht zu langweilig wird, und um das Prinzip zu lernen die heutige Aufgabe: Bitte rechnet aus wie denn die genauen Tidenhöhen und -Zeiten in Port de Crouesty am 16. und 17. 12. 2018 waren und erklärt wie der Rechenweg war. Wir wollen schließlich alle voneinander lernen!
Wahrscheinlich habt ihr es schon bemerkt: Bei der Tidennavigation gibt es 3 wichtige Kompetenzen:
- Rechnen
- Rechnen
- Rechnen
Bleibt uns gewogen und ich freue mich auf zahlreiche Lösungsvorschläge, Euer Hägar